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Seeraeuber vor Sylt

Titel: Seeraeuber vor Sylt
Autoren: Cornelia Franz
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hielt er in der Tür inne. »Wenn hier nicht die halbe Mannschaft an der Pest krepiert wäre, hätte der Käpt’n euch nie im Leben aufs Schiff gelassen.«
    Erschrocken sah Jaike hoch. »Die Pest?«
    Ouwe nickte grimmig. Er setzte das Fass wieder ab. Offenbar hatte er was zu erzählen. »Ja, der verdammte Schwarze Tod!«, fluchte er. »Irgendjemand muss ihn an Bord geschleppt haben. Und dann ist einer nach dem anderen ins Fieber gefallen. Damit wir nicht alle draufgehen, haben wir jeden über Bord schmeißen müssen, der auch nur einen Hauch von Fieber hatte.«
    Jaike konnte verstehen, dass der Kapitän Angst hatte, dass sich seine ganze Mannschaft mit dieser fürchterlichen Krankheit ansteckte. Ihr Vater hatte ihr von Geisterschiffen erzählt, die durch die Meeresegelten. Völlig ohne Besatzung, weil alle Männer vom Schwarzen Tod geholt worden waren.

    Ouwe stemmte das Fass wieder hoch. »Solch halbe Portionen wie euch lässt der Käpt’n nur mitfahren, weil er Leute braucht«, fuhr er fort. »Dein Freund wird hübsch schuften müssen.«
    Schweigend ging Jaike hinter Ouwe her. Jetzt fiel es ihr auch auf: An Deck waren nur wenige Männer zu sehen. Normalerweise fuhr so ein großer Holk mit an die zwanzig Mann Besatzung.
    In diesem Moment entdeckte sie Broder und ihr Herz zog sich vor Schreck zusammen. Hoch oben in der Takelage des Großmastes kletterte er herum und versuchte, eines der Segel zu bergen, das der Sturm zerfetzt hatte. Mit einer Hand hing er im Tauwerk, mit der anderen zerrte er an dem Segel herum, das sich irgendwo verklemmt hatte.
    »Broder!«, rief sie unwillkürlich.
    Er winkte ihr fröhlich zu. Da oben rumzuturnen gefiel ihm, auch wenn es noch so gefährlich war. Aber als er jetzt die Pfanne mit gebratenem Speck sah, kletterte er schnell wie ein Eichhörnchen hinunter.
    Weil das Meer ruhig war, konnten die Seeleute gemeinsam an Deck essen. Sie hockten auf zusammengerollten Tauen und pickten sich den Speck und das Brot mit ihren Messern auf.
    Und so hatten Jaike und Broder Gelegenheit, sich den Haufen finsterer Gesellen in Ruhe anzuschauen. Der Älteste war ganz eindeutig Ouwe, er hatte fast schon so viele Jahre wie der olle Pidder auf dem Buckel. Außer als Koch war er an Bord sicher zu nichts mehr zu gebrauchen. Bei den anderen konnte man kaum erkennen, wie alt sie waren. Die untere Hälfte ihrer Gesichter war von dichten Bärten bedeckt.Und auf dem Kopf trugen sie breitkrempige Hüte oder gebundene Tücher gegen die Sonne. Nur der Kapitän war glatt rasiert. Er hatte ein schmales Gesicht mit dunklen Katzenaugen, die alles und jeden gleichzeitig zu beobachten schienen. Neben ihm saß einer, der wohl der Steuermann war. Er hatte vorher hinten an dem langen hölzernen Steuerhebel gestanden, den er für die Zeit des Essens festgezurrt hatte. Es war ein hochgewachsener rothaariger Kerl, der genau wie alle anderen seinen Speck schweigend in sich hineinschaufelte.
    Als die Pfanne fast leer war, schickte der Kapitän die Männer und auch Broder wieder an die Arbeit. Und dann fiel ein Satz, den Jaike, die die vom Fett verschmierten Decksplanken mit einem Lappen abwischte, zunächst gar nicht verstand. Doch dieser Satz sollte ihr und Broders Leben ebenso durcheinanderbringen wie der Sturm am Abend zuvor.
    »Hol unseren Prinzen an Deck, Ouwe«, befahl der Kapitän dem Koch.

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    Der junge Graf
    Der Kapitän lief unruhig auf und ab, als Ouwe in der Luke verschwand, die unter Deck führte. Jaike schleppte schnell die Pfanne zurück zum Achterdeck. Sie wollte dabei sein, wenn Ouwe zurückkam.
    Wer um alles in der Welt war dieser Prinz, von dem der Kapitän gesprochen hatte? Es kam ja vor, dass hohe Herrschaften auf Handelsschiffen mitfuhren. Vielleicht brachte die Rosenboom ja einen echten Wüstenprinz aus Arabien oder Afrika mit … Doch als sie zum Mittschiff zurückschlich und sich an den Großmast drückte, damit der Kapitän sie nicht entdeckte, machte sie große Augen. Der Junge, der da jetzt vor der Pfanne hockte und den restlichen Speck hinunterschlang, sah ganz und gar nicht wie ein edler arabischer Prinz aus. Und auch nicht so, wie Jaike sich einen deutschen Prinzen vorstellte.
    Es war ein magerer, blasser Junge mit dunkelblonden langen Haaren, vielleicht dreizehn Jahre alt. Eine geflickte Hose und eine alte Jacke schlottertenihm um den Körper. Die hatten wohl ursprünglich einem Seemann gehört.
    »Ich weiß doch auch nicht, warum er nicht kommt«, hörte sie den Jungen sagen. Er klang
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