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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher
Autoren: Martin Mucha
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Tränensäcke und Lider. Wieder blies er aus, wie weiland Moby Dick. »Er handelt mit Seelen.«
    Da musste ich schlucken. Schenkte mir Tee nach, leerte meine Schale mit einem Schluck, doch es half nichts. Also füllte ich sie wieder, führte sie an die Lippen und trank aus. So war es besser. Ich stellte die Schale ab.
    »Mit Seelen?«
    »Du hast es gehört.«
    »Wie macht er das, en gros, Import-Export, kauft oder verkauft er sie?«
    »Genau weiß ich das nicht, ich weiß nur, dass er mit Seelen Handel treibt.«
    »Und woher weißt du das?«
    »Das geht dich gar nichts an.«
    »Doch, wenn ich für euch arbeiten soll, schon. Der Mann ist entweder ein Genie oder ein Idiot. Wahrscheinlich beides.«
    Erich schwieg.
    »Was willst du von ihm, hast du vor, deine Seele zu verschachern?«, bohrte ich nach.
    »Keineswegs.«
    »Aha! Er wildert in eurem Revier, einzig die allein selig machende Mutter Kirche hat das Recht, ein Interesse an Seelen zu haben. Es geht also um euer Monopol. Darum willst du, dass ich ihm nachschnüffle.«
    »Mach dich nicht lächerlich, wir haben kein merkantiles Interesse an den Seelen unserer Mitmenschen.«
    »Wirklich nicht? Habt ihr nicht so den Petersdom finanziert?«
    »Na ja, damals schon, aber diesmal ist es anders.« Erich druckste herum.
    »Es geht darum herauszufinden, was hinter dem Mann steckt. Hab ich recht? Dass er hier und da Seelen kauft, stört euch nicht so, aber dass …«
    »Jede Seele ist gleich wichtig und muss gerettet werden«, unterbrach mich Erich. »Und warum sagst du immer ›Euch‹, ich will dich engagieren.«
    »Ach wo, du kommst direkt vom Kardinal, er will zuerst Fakten haben, bevor er etwas gegen den Mann unternimmt. Darum bist du hier.«
    »Ja, schon. Es ist eine heikle Angelegenheit, wir müssen über den Mann so viel in Erfahrung bringen wie möglich. Wir sind in letzter Zeit in ein paar Fettnäpfchen getreten, das muss unter allen Umständen vermieden werden. Wir können uns keine weiteren Patzer leisten.« Erich wand sich wie ein Wurm, er fühlte sich sichtlich unwohl. Irgendwas war da noch im Busch.
    Plötzlich wurde mir klar, was Erich so verunsicherte.Ich lächelte und schenkte mir nach. Als ich ausgetrunken hatte, bemerkte ich beiläufig: »Ihr habt Angst, dass der Mann nicht einfach ein gerissener Geschäftemacher ist, sondern dass mehr dahintersteckt. Pferdefüße und Bockshörner etwa, und ein bisschen Schwefel.«
    Erich sah mich erstaunt an, hatte sich jedoch gleich wieder im Griff.
    »Es wäre möglich. Na, was ist, hast du Interesse?«
    »Sicher. Klingt enorm spannend. Was hast du dir dabei vorgestellt?«
    »Du könntest herausfinden, in welchem sozialen Umfeld er lebt, was er sonst noch so treibt. Über welche Kontakte der Mann verfügt und wie viele Seelengeschäfte er abgeschlossen hat. Vor allem wollen wir wissen, welche Absichten er hegt.«
    »Du meinst, wie er darauf gekommen ist, gerade diese Art von Geschäft zu machen.«
    »Genau. Außerdem etwas, das sich im Notfall als Druckmittel verwenden lässt. Kannst du das?«
    »Ein Versuch ist möglich. Billig wird es nicht.«
    »Ich hab dich um einen Freundschaftsdienst gebeten und du denkst dabei nur an Geld? Stell dir doch vor, wenn …«
    »Das ist mir alles egal, die Wirtschaftskrise hat mir meinen Sommerjob genommen. Ich kann die Miete noch genau einen Monat zahlen, so wie’s aussieht, lande ich um Weihnachten herum auf der Straße. Da sind mir deine Schauermärchen völlig gleich. Das Fressen kommt vor der Moral, wie der große Bert es so schön formuliert hat.«
    »Viel können wir dir nicht zahlen, das musst du verstehen.«
    »Sterben muss ich, sonst nichts. Wenn ihr zu wenig zahlt, mach ich’s nicht.«
    »Gut, ich werde mit den anderen sprechen, aber eigentlich war dafür kein Geld vorgesehen. Du musst verstehen, alle sind furchtbar nervös, ich weiß nicht, was sie sagen werden, wenn ich ihnen klarmache, dass unser Mann nur für Geld zu haben ist.«
    »Nur für Geld.«
    Erich nickte. »Na gut, ich werde schauen, was sich machen lässt. Du hörst von mir am Nachmittag.« Er erhob sich schnaufend.
    »Erich«, unterbrach ich seine Bemühungen, »du weißt, dass es in Wirklichkeit keine Seelen gibt?«
    »Arno, du kennst schon das Stoßgebet des Atheisten?« Er machte sich auf den Weg zur Tür.
    »Nein.«
    »Lieber Gott, wenn es dich gibt, rette meine Seele, wenn ich eine habe.«
    Mit diesen Worten war er zur Tür hinaus. Ich blieb allein zurück. An Arbeit war jetzt nicht mehr zu denken.
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