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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher
Autoren: Martin Mucha
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vors Fenster zog. Ich wollte schon die Musik einschalten, besann mich jedoch eines Besseren und holte stattdessen mein Handy heraus und wählte. Es läutete ein paar Mal, dann wurde abgenommen.
    »Hi, Reichi, Arno da.«
    »Servus.«
    »Juristische Auskünfte zu haben?«
    »Sicherlich. Wenn du zahlen kannst.«
    »Lass die Witze. Kann man seine Seele als Sicherheit bei einem Kreditabschluss einsetzen? Hält so was vor Gericht?«
    »Wie meinen?«
    »Kann man einen Vertrag über eine Seele schließen? Verstößt das nicht gegen die guten Sitten?«
    »Hm, weiß nicht. Wie sollte es überhaupt zu einem Verfahren kommen? Der eine hat die Seele, der andere das Geld. Der mit dem Geld wird doch nicht so blöd sein und seine Seele zurückfordern, er hat ja schließlich das Geld. Der andere wollte ja die Seele, die hat er auch.«
    »Was aber, wenn er sich das anders überlegt. Das meine ich. Was ist, wenn er das Geld hat und der andere will es wiederhaben, kann er einen Prozess anstrengen?«
    »Anstrengen schon, doch den wird er verlieren. Wenn das Ganze auf Papier steht. Sag bloß, du hast deine Seele verkauft.«
    »Noch nicht. Kommt aber noch.«
    »Wo kann man das? Ich hätte auch so was. Brauch’s nicht und würd’s verkaufen.«
    »Sag ich dir später, ich weiß noch nicht sicher, ob es da nicht einen Haken bei der Sache gibt.«
    »Muss es geben, sonst macht das doch niemand. Seelen gibt es nicht. Ach ja, und schau in den Spiegel. Wenn du dich nicht mehr siehst, dann hat’s funktioniert.«
    Damit legte Reichi auf. Was eine Seele mit einem Spiegelbild zu tun hat, verriet er mir nicht.
    Ich setzte mich in meinen Lehnstuhl, langte hinüber zum Computer, drückte auf Play, und Robert Johnson legte los, während das letzte Regenwasser draußen vor dem Fenster von den Blättern der Kastanie tropfte, in die grauen Lachen im grünen Gras.
    Herinnen saß ich nackt in meinem Sessel, spürte dessen rauen Stoff auf der Haut, schmeckte das leicht bittere Aroma des kalten Grüntees auf der Zunge und hatte den Blues im Ohr. Robert Johnson war ein wandernder Bluessänger der 30er-Jahre, der im Mississippidelta herumzog, von Auftritt zu Auftritt. Nur er, seine Stimme und seine Akustikgitarre. Er singt seinen Blues über Geldmangel, Liebeskummer und Arbeitslosigkeit. Die besten Stücke sind die, in denen er über seine Wanderschaft singt, die Sehnsucht nach dem Zuhause und der Angst davor, was er finden würde, sollte er je zu Hause ankommen. Der Legende nach hatte er an einem Eisenbahnübergang um Mitternacht dem Teufel seine Seele verkauft, um der beste Gitarrist aller Zeiten zu werden. Ein faustischer Charakter, der einen langsamen Tod durch vergifteten Whiskey gestorben war. Er hatte die falsche Frau gevögelt.
    Das konnte mir nicht passieren, in allem anderen sprach er mir allerdings aus der Seele. Derjenigen, die mir 500 Euro wert war.
    Während ich so dasaß und grübelte, war Robert bei ›Come on, into my kitchen‹ angelangt. Ein dunkler, schwerer Blues, in dessen Slideguitar-Licks sich der Duft von verfaulten Verandabrettern, Maiswhiskey und Regen finden lässt. »You better come on«, sang Robert, »into my kitchen, it’s gonna be rainin’ outdoors.« Keine andere mir bekannte Einladung ist so unheilschwanger wie die von Robert an die unbekannte Frau, die ihm nicht unbedingt treu gewesen war. Vielleicht mit Ausnahme der von Krimhild an die Burgunderkönige. Und wie das endete, ist bekannt.
    Robert schloss den Song mit einer sanften Phrase, die aus dem stampfenden Blues in eine kleine, verhaltene Note führt, in deren leisem Vibrato der Song endet. Ich schaltete den Sound aus und setzte mich an den Schreibtisch, bis zum Abend ordnete ich meine Notizen, die ich vor Erichs Besuch gemacht hatte. Wie immer war das meiste davon unbrauchbar, aber so verging wenigstens die Zeit bis zum Termin bei Korkarian. Als dann die Schatten draußen länger zu werden begannen, kam eine leichte Brise durchs offene Fenster herein. Wie immer im Sommer kühlte sie nicht wirklich, sondern brachte mir die drückende Hitze nur noch mehr zu Bewusstsein. Ich stand von meinem Stuhl auf und ging in die Küche, duschen. Das Wasser war lauwarm, aber besser als nichts. Noch nass, ging ich zum Kühlschrank, holte eine Gurke heraus und schälte sie. Dann teilte ich sie in der Mitte, streute ein wenig Salz darauf, ließ ein paar Tropfen Rotweinessig darauffallen und biss in das knackige, kühle, grüne Gemüse. Ein bisschen Olivenöl wäre nicht schlecht
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