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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher
Autoren: Martin Mucha
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eisiges Schweigen herrschte, dann kam die Tochter zurück, tat so, als wäre ich Luft, und legte meine Papiere vor ihren Vater. Der sagte kurz etwas zu ihr, worauf sie eine Tasche von ihrem Arbeitsplatz holte und wortlos hinausging.
    Der Mann sah nochmals meine Dokumente durch, verglich die Unterschriften von Pass und Vertrag, händigte mir dann ein Exemplar aus. Anschließend öffnete er eine Schatulle, entnahm ihr fünf Hunderter, zählte sie erst für sich, danach für mich auf den Tisch. Ich ließ sie noch liegen und setzte erneut zu einer Frage an.
    »Ist es schon vorgekommen, dass jemand seine Sicherheit nicht ausgelöst hat?«
    »Wie gesagt, das ist kein Interview. Sie haben schon unterschrieben, nehmen Sie das Geld und gehen Sie.«
    Ich hatte nicht vor zu gehen, deswegen sah ich ihn einfach weiter stumm an. Er hatte auch überhaupt nicht die Absicht zu antworten. So kam es, dass wir uns anstarrten. Es war heiß und stickig in dem Büro, mein Nacken war nass wie eine Katzennase. Schließlich gab ich auf, nahm Geld, Vertrag und einen kleinen Rest Würde, packte alles in meine Tasche und ging hinaus. Mein »Auf Wiedersehen« würdigte er keiner Antwort.
    Das war gar nicht gut gelaufen. Ich hatte zwar meine Seele gegen 500 Euro eingetauscht, aber erfahren hatte ich rein gar nichts. Außer, dass die Tür massiv und das Schloss gut war, ohne Spezialwerkzeug und jede Menge Erfahrung unknackbar. Noch dazu lag die Tür direkt auf die Märzstraße hinaus, irgendwer würde da immer vorbeikommen. Drinnen entging nichts den Argusaugen der Videokameras. Safe hatte ich keinen gesehen, doch es gab sicherlich einen. Wenn schon die Türen so gut waren, dann Gnade mir Gott beim Eisenschrank. Vielleicht hatte er die Daten irgendwo elektronisch gesichert, aber das war ungewiss, und da ich die Tür nicht ohne großes Risiko angehen konnte, war das ohnehin belanglos. Vielleicht war in seiner Privatwohnung was zu finden. Doch wie das herausfinden? Der Knabe war nicht mehr grün hinter den Ohren, allein war eine Beschattung fast nicht machbar. Ich hatte so was mal für Bender durchgezogen, mit Fred und ein paar anderen. Wir waren zu sechst gewesen, mit Autos und allem, aber es hatte gar nicht gut funktioniert. Ich war allein, hatte kein Auto, das bedeutete, es würde nur funktionieren, wenn er einen Heimweg hatte, den er zu Fuß ginge. Dann könnte ich ihn jeden Abend einen Block weit verfolgen, um am nächsten Tag dann dort zu warten, von wo ich einen guten Überblick auf den Punkt hätte, an dem ich ihn am Abend zuvor sausen hatte lassen. Dann wieder einen oder zwei Blocks weiter, bis ich schließlich vor seiner Haustür stehen würde. Dann untertags in seine Wohnung einbrechen, wobei ich nur hoffen konnte, dass Mama Korkarian nicht mehr lebte, weil sonst immer wer zu Hause sein würde. Alles in allem keine verlockenden Aussichten. In Gedanken vertieft war ich bis nach Hause gekommen. Vor meiner Wohnungstür kam mir zu Bewusstsein, dass ich hungrig war, aber ich hatte keine Lust mehr, irgendwohin zu gehen. Ich wollte mich in meiner Wohnung vergraben und ein bisschen herumgrübeln. Irgendwas musste doch zu machen sein.
    Ich zog mich aus, hängte meine Sachen über einen Kleiderbügel und setzte mich mit einer Schale Tee in meinen Stuhl. Es war noch immer viel zu heiß, ich dachte fieberhaft nach, wollte zu keinem Ergebnis kommen, und der Sencha half auch nichts. Da hatte ich meinen Verstand im Studium geschärft, Erfahrung bei zwielichtigen Typen gesammelt, meine Seele verkauft, und, wie sagte Faust: »Hier sitz’ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.« Dabei war ich gar nicht auf der Suche nach der Weltformel, sondern nur hinter ein paar Adressen her. Ich wollte mich gerade in Selbstmitleid ertränken, als es an der Tür klopfte.
    Schnell schlüpfte ich in eine Shorts und ein T-Shirt und ging zur Tür. Das musste nun der Pudel sein. Ich öffnete, doch vor der Tür stand kein Pudel, sondern eine junge, sehr schlanke Frau. Etwa in meinem Alter, in Jeans und T-Shirt, mit einer Segeltuchtasche, die sie um die Schultern gehängt hatte. Sie trug ihr krauses, lockiges Haar sehr kurz. Der Teint war dunkel, die Augen groß und die Haltung stolz. Ihre Nase, die Stirn und die vollen Lippen verrieten, dass eines der Elternteile wohl aus Ostafrika stammte. Ich tippte auf Äthiopien. Schmuck und Schminke waren nicht ihr Ding.
    »Entschuldigen Sie die späte Störung, ob Sie mir wohl ein paar Minuten Ihrer Zeit opfern
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