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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher
Autoren: Martin Mucha
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ein Rassist ist. Er meinte, ›Negerseelen‹ nehme er nicht. Genau so hat er sich ausgedrückt.«
    Sie nahm einen Schluck Wein. Ihr Glas war fast leer.
    Ich glaubte eher, dass Korkarian gemerkt hatte, dass da was im Busch war. Als er den Braten gerochen hatte, wollte er kein unnötiges Risiko eingehen. Rassist war er vielleicht trotzdem, aber das hätte ihm sicher nicht das Geschäft vermasselt. Dafür war der harte kleine Mann zu beherrscht.
    In dem Moment kam unser Essen. Für sie ein Nudelgericht, für mich Gnocchi mit Steinpilzen gefüllt und kurz angebratenen Lungenbratenstreifen garniert. Das Essen war sehr gut. Die Gnocchi waren kartoffelig und zäh, das Fleisch wunderbar zart, und alles eingehüllt in das Aroma von gutem Parmesan. Frau Schauberger bestellte sich noch ein Glas Primitivo.
    Während des Essens wurde nicht viel gesprochen, außer ein paar lobenden Worten über die Qualität der Speisen. Als wir beide fertig waren, bestellte sie noch ein Glas Wein, die Nachspeisenkarte und ging auf die Toilette. Ich lehnte mich über den Tisch, wo auf ihrer Seite, rechts neben dem Gedeck, das Notizbuch lag. Viel Zeit hatte ich nicht. Schnell blätterte ich durch und überflog die Seiten. Ihre Schrift war nicht leicht zu entziffern, aber im Zusammenhang mit der Korkarianstory fielen mir ein Name und eine Adresse auf: Erich Buehlin, Servitengasse 17. Das war im 9. Bezirk. Ich legte das Notizbuch wieder an seinen Ort, achtete genau darauf, dass alles so war wie zuvor, und kümmerte mich um die Nachspeisenkarte, die in dem Moment gebracht wurde. Ich entschied mich für ein Tiramisu, angesichts der anderen Angebote ein wenig einfallslos, doch ich hatte schon jahrelang keines mehr gegessen. Sie kam zurück und setzte sich.
    »Und, haben Sie was gefunden?« Ihre Augen lächelten. Ein klein wenig, so schien es mir zumindest.
    »Ja.« Pause. Doppeldeutig konnte ich auch sein. »Ich nehme das Tiramisu.«
    »Ein bisschen einfallslos. Ich nehme das Mezzofreddo mit dem Basilikum.«
    »Passt das denn zum Rotwein?«
    »Zu gutem Rotwein passt fast alles.«
    Der Ober kam und wir bestellten.
    »Also, was wissen Sie über Korkarian?«, fragte sie.
    »Fast gar nichts, und sicher nichts, was Ihre Kontakte Ihnen nicht schon gesagt haben.«
    »Lassen Sie hören.«
    »Ich rate mehr, als dass ich es weiß. Er ist Armenier, wahrscheinlich mit seiner Tochter zur Zeit des Karabakh-Konflikts eingewandert oder kurz danach, wegen des Embargos. Seine Tochter hat studiert oder tut es immer noch. Ich tippe auf Germanistik oder was Verwandtes.«
    »Wie kommen Sie da drauf?«
    »Weil die Tochter ausgezeichnetes Deutsch spricht, sich gewählt ausdrückt und sehr viel Selbstvertrauen besitzt. Das heißt, sie muss schon seit früher Kindheit in Österreich wohnen, sonst klappt das mit der Sprache nicht. Da passt der Konflikt vom Datum her gut hinein. Da sie aber nicht umgangssprachlich gefärbt spricht, muss sie eine gewisse Ausbildung genossen haben. Sie hat verschiedene Sprachebenen zur Verfügung: sachlich, aber auch schnippisch, daher tippe ich auf ein Studium, sicher was mit Sprache, Germanistik bietet sich an.«
    »Zum Vater?«
    »Schwer zu sagen. Jedenfalls, das Kreditwesen beehrt er noch nicht allzu lange.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Ich habe früher mal für ein paar Leute gearbeitet, die da auch ihre Finger drin hatten. Der Mann wäre mir sicher aufgefallen. Außerdem scheint er mir ein harter Brocken zu sein. Sehr vorsichtig und beherrscht. Weiß genau, was er tut. Wahrscheinlich gute Kontakte, sowohl zur Exekutive als auch zur Gegenseite. Mit dem würde ich mich nicht anlegen.« Ich dachte ein bisschen nach. »Geht sich noch ein Espresso aus?«
    Unsere Nachspeisen wurden gerade gebracht.
    »Sicher, nur keine Hemmungen.«
    Ich bestellte.
    »Und sonst noch? Was Sie mir sagen, weiß ich schon alles«, bohrte sie weiter.
    »Könnte sein, dass er Jude ist. Das wäre nicht gut für Ihre Story.«
    »Nein, das wäre gar nicht gut. Was wissen Sie über seine Kredite?«
    »Was er sonst noch öffentlich anbietet, scheint alles in der Norm zu liegen. Von Außergewöhnlichem weiß ich nichts, bis auf die Seelensache.«
    »Ja …«, forderte sie mich auf, als ich eine kleine Pause einlegte. Die ganze Zeit über hatte sie mitgeschrieben. Es schien mir, als wäre ich mit meinen Vermutungen richtig gelegen, denn weder hatte sie mich verbessert noch erkennen lassen, dass sie mit dem Gesagten nicht übereinstimmen würde. Inzwischen war der
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