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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
Autoren: Sergej Minajew
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die Seiten und stoße auf einen Artikel, in dem über das bevorstehende Ende der Karriere Michael Schumachers spekuliert wird. Vielleicht wäre es ja interessant, einmal im Leben ein Formel-1-Rennen live zu erleben, denke ich. In dem Moment, als ich den Blick von der Zeitung hebe, um noch einen Kaffee zu bestellen, betritt Vadim das Restaurant.
    Er sieht aus, als hätte er mindestens drei Tage und drei Nächte nicht geschlafen. Die Haare stehen ihm wirr vom Kopf, unter den Augen hängen dunkle Ringe, und sein Gesicht ist so bleich, dass es sich kaum von dem mattgrauen Interieur des Restaurants unterscheidet. Seine Kleidung ist übel zerknittert, woraus ich schließe, dass er nicht in seinem Bett geschlafen hat. Mit fahrigen Bewegungen versucht er, seine Haare in Ordnung zu bringen und reißt immer wieder nervös am Revers seines Jacketts. Er wirkt derart verstört, dass ich fürchte, er wird mich übersehen, obwohl ich direkt neben dem Eingang sitze. Seine Augen huschen nervös durch den Saal, bis er mich endlich entdeckt. Schnell kommt er an meinen Tisch, setzt sich und zündet sich sofort eine Zigarette an.
    »Grüß dich! Was ist denn mit dir los? Trägst du jetzt deine Büroklamotten auch am Sonntag? Der typische Workaholic, was?« Ich grinse und versuche, auf locker zu machen. »Du siehst übrigens aus wie direkt aus einem Steckbrief entschlüpft,
Osama bin Laden zwei. Egal, wie geht’s? Hast du dich ein bisschen eingekriegt? Entschuldige übrigens, Alter, ich habe gestern wohl überreagiert. Wir haben wohl beide ziemlich überreagiert. Lass uns die Sache möglichst schnell vergessen. Wahrscheinlich lachen wir uns in ein paar Wochen nur noch tot darüber, was?«
    »Mir ist kein bisschen nach Lachen zumute, absolut nicht. Hast du eine Ahnung, was wir jetzt machen sollen?« Vadim klingt gehetzt.
    »Gar nichts machen wir. Die Jungs haben uns nach Strich und Faden eingeseift. Wir sind ihnen mit unserer Eitelkeit und unserer Geilheit auf das mondäne Leben auf den Leim gegangen. So was kommt vor. Deshalb geht das Leben trotzdem weiter.«
    »Das heißt also, wir sollen es dabei belassen? Meinst du das? Es muss doch einen Ausweg geben, eine Möglichkeit, Druck auf diese Typen auszuüben.« Er steckt sich die nächste Zigarette an.
    »Vadim, das sind keine seriösen Geschäftspartner. Da kann man keinen Druck ausüben. Es handelt sich hier um einen echten Betrug. Ich denke, die Burschen sind längst nicht mehr in der Stadt, wahrscheinlich sogar schon außer Landes. Wir könnten sie natürlich anzeigen oder uns an das Kameradschaftsgericht wenden.«
    »Kameradschaftsgericht? Was soll das denn sein?«
    »Na ja, ich meine, wir könnten uns ein paar nette Jungs mit breiten Schultern und dunklen Brillen suchen und sie bitten, die Sache für uns zu regeln.«
    »Meinst du? Vielleicht sollten wir das wirklich tun. Ich kenne da jemanden, den könnten wir vielleicht anrufen.«

    »Natürlich könnte man das versuchen, aber ich fürchte, am Ende würde die Sache für uns zu teuer werden.«
    Vadim bedeckt sein Gesicht mit den Händen. Sein ganzer Schliff, sein mondäner Charme und seine maskuline Ausstrahlung haben sich verflüchtigt wie der Rauch seiner Zigarette. Langsam tut er mir leid, obwohl ich mich selber beschissen genug fühle. Zwar versuche ich, die Situation ins Witzige zu ziehen, aber ich verstehe durchaus, dass er ein echtes Drama durchleidet.
    Ich bestelle uns frisch gepressten Orangensaft mit Eis und Mineralwasser. Vadim schweigt, starrt aus dem Fenster und kaut auf seinen Fingernägeln. Ich befürchte, dass er jeden Moment durchdreht. Als der Saft kommt, schiebe ich ihm das Glas zu und sage:
    »Komm, trink erst mal was Gesundes, das baut dich auf!«
    »Ich will nicht, verstehst du? Ich will nicht!« Er macht eine ungeschickte Bewegung und stößt mit dem Ellenbogen das Glas um. Der Saft läuft über den Tisch.
    Das kleine Unglück reißt ihn für einen kurzen Moment aus seiner Lethargie. Hastig wirft er einige Servietten in die Pfütze und ruft mit Kommandostimme nach der Kellnerin. Die Gelegenheit erscheint mir günstig, das Gespräch in die komische Richtung zurückzuleiten.
    »Vadim, warum warst du heute Nacht nicht zu Hause?«, frage ich mit schrägem Grinsen. »Du hast doch nicht etwa eine neue Freundin, dass du so nervös bist?«
    »Sag mal, hast du sie eigentlich noch alle? Uns sind gerade hundertfünfzigtausend Dollar flöten gegangen, und du hast noch Zeit für blöde Witze!« Vadim schaukelt sich langsam
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