Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
Autoren: Sergej Minajew
Vom Netzwerk:
höchstens neun Stunden geschlafen, sofern man das überhaupt Schlaf nennen kann. Ich bin hundemüde, so müde, dass ich schon beim Aufwachen nichts als Apathie empfinde, vollständige Gleichgültigkeit gegenüber der ganzen Welt. Ich beruhige mich, indem ich mir immer wieder sage, dass schon alles wieder in Ordnung kommen wird, dass ich einfach eine schlechte Phase habe. Ich rede mir ein, dass ich nur ein wenig Urlaub brauche, dann wird alles wieder gut. Dann verschwinden die Müdigkeit, die schlechte Laune, meine Empfindlichkeit gegen Menschen, all diese Anzeichen starker nervlicher Überreiztheit.
    Die Uhr zeigt sieben. Ich muss mich mit irgendetwas beschäftigen, wenigstens bis zehn Uhr. Dann kann ich irgendwohin
fahren, mich mit jemandem treffen, vielleicht sogar frühstücken. Mein Kopf fühlt sich trübe an, meine Augen schmerzen, in meinen Schläfen puckert es dumpf. Ich gehe unter die Dusche in der Hoffnung, mein Befinden ein wenig positiv zu stimulieren. Lange stehe ich unter dem heißen Wasserstrahl, lasse ihn über Gesicht und Nacken laufen. Die Ereignisse der letzten Tage gehen mir durch den Kopf. Mir ist, als wäre ich in einem richtig beschissenen Film gewesen, mit einem haarsträubend schlechten Drehbuch, einer völlig sinnlosen Handlung. Mein einziger Wunsch ist, diese DVD in die Videothek zurückzubringen und allen Leuten dringend zu empfehlen, sich den Streifen niemals anzusehen. Es gibt dabei nur ein Problem: Der Held dieser bescheuerten Saga bin ich selber. Das ist ekelhaft, widerwärtig und grauenhaft, aber leider Tatsache.
    Ich rasiere mich, kämme mich, betrachte mich im Spiegel. Mein Äußeres hat allerdings ziemlich gelitten. Ein wenig dunkles Make-up dazu, und ich könnte als Gothic-Star durchgehen. Wäre es nicht so traurig, man könnte darüber lachen.
    Draußen wird es heller, zaghaft beginnt der Tag, und auf der Straße zeigen sich die ersten Frühaufsteher, die mit ihren Hunden Gassi gehen. Irgendwo brummt der Motor eines Autos. Ich schalte die Kaffeemaschine ein und gehe in mein Schlafzimmer, inspiziere lange den Inhalt meines Kleiderschrankes. Ich habe Lust, mich warm anzuziehen. Schließlich wähle ich eine braune Hose, ein Hemd und ein braunes Tweed-Jackett. Ich schaue noch einmal in den Spiegel und versuche mir zu einzureden, dass ich total ruhig bin. Dann fange ich an, meine Runden durch das Zimmer
zu drehen. Ein nervöses inneres Beben befällt mich, eine dumpfe Ahnung von Gefahr. Auf den ersten Blick scheint alles wie immer, aber es sind ja auch nicht die Gegenstände, die sich verändert haben, es ist die Atmosphäre. Ich setze mich aufs Sofa, in meinen Ohren tönt ein schrilles Läuten. Ich presse meinen Kopf zwischen beide Hände, bleibe fast fünf Minuten so sitzen. Dann lasse ich die Hände ganz langsam sinken, wie in Erwartung von etwas Ungeheuerlichem. Ich sehe mich um. Es scheint nichts passiert zu sein, aber das Gefühl der Veränderung wird deutlicher. Da begreife ich auf einmal, dass ich keine Geräusche von außen mehr wahrnehme. Um mich herum herrscht absolute zähklebrige Stille. Ich gehe wieder in die Küche und schaue aus dem Fenster. Die Straße ist wie ausgestorben. Sogar die Leute mit den Hunden sind verschwunden. Die Stille betäubt mich, sie rückt mir von allen Seiten auf den Leib, drängt mich in eine Ecke der Küche. Dicht an die Wand gepresst schiebe ich mich wieder ins Zimmer. Mir ist scheußlich zumute. Ich finde die Fernbedienung und schalte das Fernsehgerät ein, zappe durch die Kanäle … nichts passiert. In der rechten oberen Ecke des Bildschirms wechseln die Logos der Sender, aber man sieht nichts als eine leere weiße Fläche. Ich schalte den Apparat aus und wieder ein. Immer noch nichts. Der Flimmerkasten präsentiert mir hartnäckig dieselbe Leere. Einen milchweißen Bildschirm.
    Ohne den Fernseher auszuschalten, lege ich die Fernbedienung vorsichtig auf das Zeitungstischchen, als hinge etwas Wichtiges davon ab. Ich gehe ins Nebenzimmer, öffne die Bar und greife nach dem Jameson. Ich gieße mir reichlich Whiskey ein, setze mich in einen Sessel und versuche
mich zu beruhigen: Das ist einfach eine technische Störung. Ich brauche nur ein Weilchen zu warten, dann ist alles wieder in Ordnung.
    Ich nehme ein paar Glamourmagazine aus dem Zeitungsständer, stecke mir eine Zigarette an und nehme mir vor, ein wenig darin herumzublättern, um mich abzulenken. Ich schlage ein Magazin auf und sehe, dass die Seiten weiß sind. Leer. Verstehen Sie, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher