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Seelen-Transfer

Seelen-Transfer

Titel: Seelen-Transfer
Autoren: Eric Frank Russell
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bewegender Beine. „Mein Name ist Speedy.“
    Innerhalb von Minuten war das Raumschiff leer. Kein Marsianer, der Zeit hatte, frische Luft zu atmen, wollte jetzt noch darin zurückbleiben. Ihr erster Weg führte sie zu dem Denkmal der Schönheit. Rdina stand kurz darauf davor, hinter sich im Halbkreis seine Mannschaft. Die Erdbewohner betrachteten die Szene schweigend.
    Vor den Marisanern stand eine steinerne Statue, die ein weibliches Wesen dieser Erde darstellte. Sie – die Frau – hatte breite Schultern, einen großen Busen, breite Hüften und trug weite Kleider, die bis zu ihren Füßen herabfielen. Ihr Rücken war ein wenig gebeugt, ihr Kopf leicht gesenkt, das Gesicht hatte sie in den rauhen Händen vergraben. Rdina versuchte vergeblich, hinter den Fingern einen Blick auf ihr Gesicht werfen zu können. Nachdem er sich die Statue lange angesehen hatte, senkte er den Blick auf den Text, der auf dem Sockel eingraviert worden war. Die irdischen Buchstaben ignorierte er, dafür lasen sich für ihn die marsianischen Schnörkel ganz leicht:
    Weine, mein Heimatland, weine um deine
    schlafenden Söhne,
    um die Asche deiner Häuser, um deine
    einstürzenden Türme.
    Weine, mein Land, oh, mein Land, weine!
    Um die Vögel, die nicht singen können,
    um Blumen, die verschwunden.
    Betrauere ihr Ende, die unzähligen Stunden des Schweigens.
    Weine, mein Heimatland!
    Rdina sah keinen Namen darunter. Minutenlang ließ er sich diese Zeilen durch den Kopf gehen, dann wandte er sich um, deutete auf die marsianische Schrift.
    „Wer hat das geschrieben?“ fragte er Speedy.
    „Einer von Ihrem Volk. Er ist tot.“
    „Ah!“ erwiderte Rdina. „Skhivas Dichter. Ich habe seinen Namen vergessen, und ich bezweifle, ob sich noch viele an ihn erinnern. Er war nur ein unbedeutender Dichter – wie ist er umgekommen?“
    „Er befahl uns, ihn für einen langen und dringend erforderlichen Schlaf einzumauern, und …“
    „Das amafa“, warf Rdina erklärend ein. „Und dann?“
    „Wir taten, was er von uns verlangte. Er warnte uns noch, daß er vielleicht nie wieder herauskommen würde.“ Speedy sah zum Himmel und war sich nicht bewußt, daß Rdina seine besorgten Gedanken aufnahm. „Er befindet sich jetzt länger als zwei Jahre in der Höhle und ist nicht hervorgekommen.“ Speedys Blick ging zu Rdina. „Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen, aber ich wollte nur sagen, daß er einer von uns war.“
    „Ich glaube, ich verstehe.“ Rdina dachte eine Weile nach. „Wie lang ist die Periode, die Sie als zwei Jahre bezeichnen.“
    Es gelang ihnen, diese Frage zu klären.
    „Das ist sehr lange“, sagte Rdina dann. „Viel länger als eine normale amafa. Aber es ist nicht ungewöhnlich. Gelegentlich dauert es aus uns unbekannten Gründen sogar länger. Außerdem ist das hier nicht der Mars.“ Energisch wandte er sich an einen seiner Leute. „Mediziner Traith, wir haben hier einen Fall von verlängerter amafa. Holen Sie Ihre Öle und Essenzen und begleiten Sie mich.“ Als der andere zurückkam, wandte Rdina sich wieder an Speedy. „Bringen Sie uns zu der Stelle, an der er schläft.“
    Als sie die Tür zu der vermauerten Höhle erreicht hatten, blieb Rdina davor stehen, um den Namen aus zwei Worten zu betrachten, der in kleinen aber deutlichen Schriftzeichen darauf angebracht war: Geliebter Teufel.
    „Ich frage mich, was das bedeutet“, sagte Mediziner Traith.
    „Nicht stören“, versuchte Rdina zu erraten. Es war ihm nicht wichtig. Er öffnete die Tür, ließ Traith eintreten und schloß sie hinter ihm.
    Zwei Stunden später erschienen die beiden Marsianer wieder. Inzwischen schien sich die gesamte Bevölkerung der Stadt vor der Höhle versammelt zu haben. Rdina war überrascht, daß die Menschen nicht ihre Neugier betreffs des Raumschiffs und seiner Besatzung befriedigt hatten. Das Interesse am Schicksal eines kleinen Dichters konnte doch nicht so groß sein. Tausende Augen waren auf ihn gerichtet, als er wieder ins Sonnenlicht heraustrat und die Tür sorgfältig hinter sich schloß.
    Speedy erhob sich, streckte sich, als wolle er nach der Sonne greifen und verkündete den Menschen die Nachricht: „Er lebt! In zwanzig Tagen wird er wieder herauskommen!“
    Urplötzlich schienen die Zweibeiner von einer leichten Form des Wahnsinns überfallen zu sein. Sie schnitten freudige Grimassen, stießen laute Geräusche aus, und einige gingen soweit, daß sie sich gegenseitig auf die Schultern schlugen.
     

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