Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
Vom Netzwerk:
blutet. Kontrollier’s halt selber noch mal, wenn du so schlau bist. Du wirst da auch nix finden!«
    Markus zog den Lodenmantel seines Vaters von dem Verletzten und begann, ihn abzutasten. Kluftinger sah halb erschreckt und halb bewundernd, dass sein Sohn offenbar überhaupt keine Skrupel hatte, den Toten … den Verletzten anzufassen.
    Doch bis auf eine kleine Schnittwunde an der Hand fand er nichts, was auch nur annähernd für einen derartigen Blutverlust verantwortlich hätte sein können. Ratlos blickten sie sich an.
    »Ob er vielleicht innere Blutungen …«, begann Kluftinger, brach den Satz aber ab, weil er selbst einsah, dass dabei keine wirklich intelligente Frage herauskommen würde.
    Markus wollte gerade etwas erwidern, da hörten sie über sich die Rotorblätter eines Hubschraubers rattern. Sie winkten dem Piloten und wenige Minuten später rannten zwei Rettungshelfer in orangefarbenen Jacken und einer gefalteten Trage auf sie zu. Mit etwas Abstand folgte ein Mann mit einem Koffer, offenbar der Notarzt.
    Kluftinger deutete auf die Gestalt am Boden, gab sich als Polizeibeamter zu erkennen und klärte die Retter über seine bisherigen »Befunde« auf. Kurz darauf kam ein Wagen den engen Fußweg entlanggefahren. Kluftinger versuchte, durch das Gebüsch den Fahrer zu erkennen: Es war Willi Renn, der Leiter des Erkennungsdienstes. Der Kommissar war erleichtert, ihn zu sehen. Jetzt nahm der Tatort langsam wieder »normale« Züge an. Er erhob sich und ging auf das Auto zu, dem eine kleine, dürre Gestalt mit einer dicken Pudelmütze auf dem Kopf entstieg. Willi wirkte auf den Kommissar kleiner als sonst, weil seine Füße in monströsen Winterstiefeln steckten, wie sie in den achtziger Jahren modern gewesen waren – Moonboots hatte man sie genannt, und sie verliehen dem Träger tatsächlich ein bisschen das Aussehen eines Astronauten. Jedenfalls Willi Renn, der zu beinahe einem Drittel in den Stiefeln verschwand.
    »Willi, endlich! Gut, dass du da bist.«
    »Heu, was gibt’s? Muss ich mir Sorgen machen?«
    »Wieso Sorgen?«
    »Na, weil du dich noch nie so gefreut hast, mich zu sehen.«
    Kluftinger winkte ab. Natürlich waren sie sich nicht immer grün, aber er hatte nie die Kompetenz des Erkennungsdienstlers angezweifelt, den seine Kollegen nur »den Wühler« nannten, weil er oft in den unmöglichsten Verrenkungen nach Tatortspuren suchte.
    »Das ist eine komische G’schicht.«
    »Keine Zeit für Geschichten. Wo ist die Leiche?«
    »Genau darum geht’s ja: Es gibt keine.«
    »Bitte? Du willst mir doch nicht etwa sagen, dass du eine komplette Leiche verloren hast? Das trau ich ja nicht einmal dir zu, Klufti.«
    »Nein, nein, natürlich nicht. Es ist so – die Leiche ist gar nicht tot.«
    »Die Leiche ist nicht tot?« Renn blickte ihn verblüfft an.
    »Na, ich mein: Es ist halt keine Leiche, der Mann. Weil er noch lebt.«
    Kluftinger zeigte auf die beiden Sanitäter hinter sich, die den Verletzten inzwischen auf die Trage gelegt und in eine golden glänzende Folie gewickelt hatten. Einer von ihnen hielt eine Infusion hoch, deren Schlauch unter der Rettungsdecke verschwand.
    »Er sah nur so tot aus – wegen des vielen Bluts.«
    Willi Renn ging mit Kluftinger zu den Sanitätern. Er blickte nur kurz auf den roten Fleck, zuckte mit den Schultern und fragte: »Welches Blut?«
    »Bist du blind? Da ist doch alles rot!«
    Renn schüttelte den Kopf: »Das ist kein Blut.«
    Geschockt starrte ihn der Kommissar an. »Was sagst du da?«
    »Dass das kein Blut ist. Glaub mir, damit kenn ich mich aus.«
    Kluftinger verstand überhaupt nichts mehr. Doch ehe er weiter darüber nachdenken konnte, bekam Willi Renn große Augen, stapfte an ihm vorbei und begann zu schreien: »Sagen Sie mal, zertrampeln Sie hier eigentlich absichtlich alle Spuren? Glauben Sie, dass wir in diesem Schlachtfeld noch irgendwas finden werden?«
    Der Notarzt, ein etwa dreißigjähriger Mann mit Nickelbrille, sah ihn entgeistert an. »Ich mache hier nur meinen Job«, raunzte er zurück. Kluftinger hätte schwören können, dass er noch ein gemurmeltes »Gartenzwerg« gehört hatte.
    Renn hob sofort zu einer Schimpftirade an, deren Heftigkeit die Sanitäter überraschte. Was Tatortspuren betraf, verstand er keinen Spaß. Und obwohl er gut einen Kopf kleiner war als die beiden jungen Männer, wirkten sie eingeschüchtert.
    »Wir packen nur noch zusammen«, sagte der Mann mit der Nickelbrille kleinlaut und stopfte die Utensilien in seinen Koffer. Als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher