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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer
Autoren: Manfred Megerle
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zweiten Wagen, vermutlich das
     Dienstfahrzeug der Kripo Konstanz, und erreichten schließlich eine kleine
     Lichtung. Zwei Uniformierte waren gerade dabei, den Waldboden nach eventuellen
     Spuren abzusuchen.
    Über der am Boden liegenden leblosen Gestalt wölbte
     sich die Krone einer mächtigen Buche. Von einem der Äste baumelte noch das
     Seil. Die Schlinge fehlte, man hatte den Toten einfach abgeschnitten. Es
     handelte sich um einen etwa fünfzigjährigen, hager wirkenden Mann mit
     Dreitagebart, bekleidet nur mit einer reichlich zerschlissenen Arbeitshose und
     Turnschuhen. Sein stark behaarter Oberkörper war nackt. Neben ihm lag ein
     ehemals gelbes T-Shirt, auf dem Jo mit Mühe die Aufschrift » HOHBAU « entziffern konnte. Deutlich zu erkennen dagegen
     waren die rötlich violetten Strangulierungsmale am Hals des Toten. Eine Frau
     beugte sich über den Leichnam, ihr weißer Overall und der Instrumentenkoffer
     wiesen sie als Ärztin aus. Sie nickte den Neuankömmlingen kurz zu und setzte
     dann ihre Untersuchung fort. Ein umgestoßener Campingstuhl, der etwa einen
     Meter neben dem reglosen Körper lag, rundete das Bild ab.
    Ein Kripobeamter in Zivil tauchte neben ihnen auf und
     grüßte. Wolf hob nur flüchtig die Hand, eine Reaktion, die Jo nicht fremd war.
     Wahrscheinlich hadert er jetzt wieder mit seinem Namensgedächtnis, dachte sie.
     Sie kannte seine Schwäche, Namen zu vergessen – ein Manko, das ihn zunehmend
     belastete, wie er ihr einmal gestanden hatte.
    Der Kollege hielt Wolf eine grüne Kunststoffbox hin.
     Wie die beiden Uniformierten trug auch er die bei der Polizei üblichen weißen
     Latexhandschuhe. »Da ist alles drin, was wir in den Taschen des Toten gefunden
     haben: Ausweis, Führerschein, Schlüssel, EC -Karte,
     eine kleinere Summe Bargeld, ein paar Fotos. Was man eben so bei sich trägt.
     Ach ja, und dann noch das hier, eine Kunststoffschlaufe. Haben die Kollegen auf
     dem Boden gefunden, unter dem Laub.«
    Wolf nahm das Ding in die Hand und drehte es hin und
     her. »Was ist das?«
    »Wissen wir nicht. Kann sein, es hat gar nichts mit
     dem hier zu tun.« Mit einer flüchtigen Handbewegung wies der Beamte auf den
     Toten.
    »Kein Abschiedsbrief?«, fragte Jo.
    »Wie man’s nimmt. Diese Hülle hier war ebenfalls bei
     seinen Sachen. Den Zettel, der drinsteckt, könnte man als solchen deuten.« Er
     zog ein Papier heraus und entfaltete es.
    Mit sauberer, schulmäßiger Schrift, die auf keinerlei
     seelische Erregung schließen ließ, hatte der Schreiber drei kurze Worte auf das
     Papier gesetzt: »Verzeih mir, Sonja.«
    »Nicht gerade viel«, kommentierte Jo. »Könnte Sonja
     seine Frau sein?«
    »Keine Ahnung. Vergesst nicht: Wir sind auch erst seit
     einer halben Stunde hier.«
    »Schon gut, wir recherchieren das«, winkte Wolf ab.
     »Ich nehme an, wir können seine Sachen mitnehmen, oder? Vermutlich seid ihr
     froh, wenn die kriminaltechnische Untersuchung bei uns in Überlingen
     durchgeführt wird.« Mit dem Anflug eines Lächelns versuchte er, der Situation
     jeden Anschein von Rivalität zu nehmen. »Aber vielleicht können wir uns das ja
     sogar sparen, je nachdem, was der Doc feststellt.« Damit drehte er sich um und
     ging auf die Ärztin zu.
    »Moment noch«, warf Jo hastig ein und fragte den
     Konstanzer Kollegen: »Habt ihr sein Fahrzeug gefunden?«
    Der schüttelte den Kopf. »Sieht so aus, als wäre der
     Mann zu Fuß gekommen. Jedenfalls steht weit und breit kein herrenloser Wagen.«
    »Irgendwelche Umstände, die aus deiner Sicht auf etwas
     anderes als Selbstmord hindeuten?«, fragte Wolf.
    »Bis jetzt nicht. Alles spricht dafür, dass Ploc
     allein war, dass er auf den Campinghocker stieg, sich die Schlinge um den Hals
     legte und danach den Hocker umstieß. Was wir nicht wissen, ist, warum er es tat. Das rauszukriegen ist jetzt eure Sache.«
    Inzwischen hatte sich die Ärztin erhoben und war zu
     ihnen rübergekommen. Sie bestätigte die Einschätzung des Beamten: »Eindeutig
     Suizid, keinerlei Hinweis auf Fremdeinwirkung, soweit ich das hier feststellen
     kann.« Sie griff nach einem Formular. »Geht die Leiche nach Konstanz oder nach
     Überlingen?«
    »Überlingen, Pathologie im Kreiskrankenhaus«,
     antwortete Wolf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie verabschiedeten
     sich und gingen zu dem Wagen zurück, der sie hergebracht hatte.
    Sie waren erst wenige Meter gefahren, als ihnen auf
     dem Waldweg ein marineblauer Sportwagen entgegenkam
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