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Seefeuer

Seefeuer

Titel: Seefeuer
Autoren: Manfred Megerle
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hinter uns«, murmelte er, fischte ein Handy aus der Jackentasche und
     drückte ein paar Tasten.
    »Ist dort die Polizei? Sie sollten
     schnell einen Wagen schicken, hier hängt einer … na hier, im Wald, etwa einen
     halben Kilometer oberhalb Wallhausen, rechts von der Landstraße nach Dettingen … Wie er heißt? Weiß ich doch nicht, denken Sie, ich fass den an? … Ach so, wie
     ich heiße, meinen Sie? … Hallo, hallo?« Er drückte die Aus-Taste.
    Ein frischer Wind war aufgekommen,
     der Tote über ihm begann leicht zu schaukeln.
    Mit geübten Griffen zog er sich die
     weißen Latexhandschuhe von den Fingern. Nach einem letzten prüfenden Blick
     machte er kehrt und lief mit raschen Schritten in den Wald hinein.

2
    »Verdammte Hitze«, knurrte Hauptkommissar
     Wolf apathisch und schloss sein Fahrrad ab. Um kurz nach sieben war das
     Thermometer neben dem Eingang bereits auf satte vierundzwanzig Grad
     geklettert. Das konnte ja heiter werden. Selbst unten am See, wo meist eine
     leichte Brise wehte, war diese Hitze mehr als lästig.
    Vollends unerträglich fand er sie im Dienstgebäude der
     Überlinger Kripo. Das für eine Polizeidirektion ungewöhnlich moderne Bauwerk,
     im Volksmund respektlos »Aquarium« genannt, protzte mit einer spiegelnden
     Fassade aus Glas und Aluminium. Diese Außenhaut verwandelte die Innenräume
     schnell in eine finnische Sauna, und entsprechend hitzig war mitunter die
     Stimmung unter den Kollegen.
    Wolf verscheuchte diese Gedanken. Er hatte Wichtigeres
     zu tun, als sich über das Wetter den Kopf zu zerbrechen. Seit gut drei Wochen
     hechelten sie hinter einer Gruppe von Rumänen her, die bei nächtlichen
     Überfällen auf Banken im Bodenseeraum weit über eine Million Euro erbeutet
     hatte, ohne dass man ihre Spur entdeckt, geschweige denn einen der Täter
     gefasst hätte. Ihren letzten Coup hatten die Rumänen vor zwei Tagen in Owingen
     gelandet. Die Täter gingen stets nach dem gleichen Muster vor: Sie klauten ein
     schweres Fahrzeug, rissen mit dessen Hilfe den Tresor aus der Wand und
     verschwanden damit in den umliegenden Wäldern. Wolf hätte sonst was drum
     gegeben, den Fall endlich vom Hals zu haben.
    Na ja, neuer Tag, neues Glück – vielleicht war ja
     ausnahmsweise mal was dran an dem Spruch! Entschlossen machte er sich an den
     Aufstieg zu seinem Büro. Seine Abteilung, das Erste Kriminaldezernat, kurz: D1,
     befand sich im zweiten Stock, und auf die paar Treppen kam es nun auch nicht
     mehr an. Er war bereits verschwitzt, schlimmer konnte es nicht kommen.
    Joanna
     ließ den Arm aus dem Autofenster baumeln und genoss den warmen Fahrtwind. Fast
     wie in der alten Heimat, dachte sie und ließ die Schranke hoch, die die
     Einfahrt auf den Parkplatz der Polizeidirektion freigab.
    An Tagen wie diesem überkam Joanna Louredo, von ihren
     Kollegen nur Jo genannt, manchmal so etwas wie Wehmut. Sie war sich sicher,
     ihre Eltern würden noch immer in Deutschland leben, gäbe es mehr Sommer wie
     diesen. Ende letzten Jahres hatten sie endgültig vor dem deutschen Wetter
     kapituliert und waren nach Portugal zurückgekehrt, um sich in Vigo von ihrem
     Ersparten ein kleines Hotel zu kaufen.
    Jo war in Baden-Württemberg geblieben. Sie hatte hart
     für ihre Laufbahn als Kommissarin bei der Kriminalpolizei gearbeitet. Nach der
     Landespolizeischule in Freiburg war sie vor etwa einem halben Jahr als
     frischgebackene Kriminalhauptmeisterin und Kommissarsanwärterin zur Kripo
     Überlingen gekommen. Die Arbeit hier machte ihr Spaß, auch wenn sie nicht mit
     allen Kollegen auf Anhieb klarkam. Aber das war ein anderes Thema. Jetzt musste
     sie erst mal einen freien Parkplatz ergattern.
    So spendabel sich das Land beim Neubau des
     Dienstgebäudes auch gezeigt hatte, die schon immer knappe Parkfläche war
     seinerzeit nicht erweitert worden. Da vorne, in der zweiten Reihe, war da nicht
     eine Lücke? Tatsächlich! Jo drückte erleichtert den Fuß aufs Gaspedal und
     steuerte den freien Platz an, als plötzlich ein roter Flitzer frech an ihr
     vorbeiröhrte und die Lücke schloss.
    Jo bekam einen roten Kopf. »Dieser Arsch!«, entfuhr es
     ihr. Das war Kalfass! Ludger Kalfass, Jos Kollege und Intimfeind. Vor zwei
     Jahren hatte ihn das Personalamt als Kriminalobermeister in Überlingen
     »abgestellt«, seitdem klebte er an diesem Stuhl. Kein noch so übertriebener
     Eifer hatte daran etwas zu ändern vermocht.
    »Liebenswürdig wie immer«, konnte sich Jo einen
     Kommentar
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