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See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)

See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)

Titel: See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Jenna Aaron
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vollgepackt und war bereit, in Richtung San Francisco loszufahren. Anstatt ihr zu helfen, hatte Ellen am Küchentresen gestanden und sie stumm beobachtet. Als Tess sich hatte verabschieden wollen, hatte Ellen gezischt: »Du tust es also wirklich. Du rennst vor unseren Problemen weg und lässt mich hier allein.«
    »Ich renne nicht weg«, hatte Tess widersprochen, obwohl sie natürlich wusste, dass ihre Tante nicht ganz falsch lag mit ihrem Vorwurf. »Ich gehe nur in eine andere Stadt, um zu studieren. Und du könntest doch einfach mitkommen. Was hält dich denn noch in Shadow Lake?«
    Ellen hatte spöttisch aufgelacht. »Das weißt du ganz genau. Mein Sohn liegt hier irgendwo verscharrt. Und ich werde nicht eher weggehen, bis ich ihn gefunden habe.«
    Wie so oft hatte Tess nur fassungslos den Kopf geschüttelt. Ihre Tante hatte sich inzwischen so darauf versteift gehabt, dass Jared auch dem – wie sie es nannte – wahnsinnigen Mörder zum Opfer gefallen war, dass sie alle anderen Möglichkeiten kategorisch ausschloss.
    Als Tess sie dann zum Abschied umarmen wollte, war Ellen vor ihr zurückgewichen.
    Das war das Schlimmste, was du in diesem Augenblick tun konntest, dachte Tess. Diese Geste hatte den endgültigen Bruch zwischen ihnen eingeleitet. Noch beim Verlassen des Hauses hatte Tess sich geschworen, niemals zurückzukehren. Sie hatte zwar noch ein paar Mal mit ihrer Tante telefoniert, als sie in San Francisco lebte, aber es war jedes Mal eher ein höflicher Austausch von Floskeln gewesen als ein vertrautes Gespräch.
    Tess wischte sich mit dem Handrücken über ihre brennenden Augen. Wenn sie doch nur die Gelegenheit gehabt hätte, sich mit Ellen vor ihrem Tod zu versöhnen! Oder ihr wenigstens hätte erklären können, warum sie sich so verhalten hatte, sich so hatte verhalten müssen. Dass sie gar nicht anders gekonnt hatte.
    Aber es war zu spät. Diese Gelegenheit würde es niemals geben.
    Tess merkte, wie ihre Entschlossenheit sie langsam verließ. Es war doch ein Fehler gewesen, hierher zurückzukehren, gestand sie sich ein. Wäre sie in Kalifornien geblieben, hätte sie sich diese ganze Gefühlsduselei ersparen können.
    Aber dann schüttelte sie vehement den Kopf. Nein, so schnell wollte sie nicht aufgeben. Sie schleppte die Schatten ihrer Vergangenheit schon viel zu lange mit sich herum. Es wurde Zeit, endlich damit fertig zu werden.
    Sie beschloss, sich mit Taten abzulenken, anstatt ins Grübeln zu verfallen und sich ihrer Trauer hinzugeben. Sie lief zurück zu ihrem Auto, holte so viel ihrer Sachen, wie sie auf einmal tragen konnte, und brachte sie ins Haus. Beinahe automatisch stieg sie die schmale Holztreppe hoch und öffnete die Tür zu ihrem alten Zimmer.
    Als sie sah, dass ihre Tante es genau so belassen hatte, wie es bei ihrem Auszug gewesen war, spürte sie einen dicken Kloß im Hals. Es schien ihr fast so, als hätte Ellen doch noch auf ihre Rückkehr gewartet.
    Auf den abgenutzten Holzdielen lag immer noch der bunte Flickenteppich, den sie als Kind so gern gehabt hatte. Die Zeichnungen, die Ellen nur für sie angefertigt hatte, hingen gerahmt an den Wänden. Sogar der Kaktus, den sie jahrelang gepflegt hatte, stand noch in einem Topf auf der Fensterbank. Tess staunte, wie groß er geworden war.
    Tess ging zu ihrem Regal und zog ein paar der alten Bücher hervor, die sie während ihrer Highschoolzeit regelrecht verschlungen hatte. Sie war überrascht, als ihr aus einer abgewetzten Ausgabe ihres damaligen Lieblingsbuchs ein Foto von Andy Cunningham entgegen fiel. Sie hatte das Bild lange vergessen, das sie mit fünfzehn Jahren zwischen den Seiten versteckt hatte. Damals war sie total in den schwarzhaarigen Jungen mit den leuchtend blauen Augen verknallt gewesen. Ein Jahr später, als er mit seinen Eltern nach Minnesota gezogen war, hatte sie dagegen eher Erleichterung empfunden. Sie lächelte. Vom ersten Freund verlassen zu werden, war in diesem Alter eben eher eine Demütigung als wirklicher Liebeskummer.
    Nachdem Tess ihre Kleider im Schrank verstaut hatte, sah sie sich in den anderen Räumen des Hauses um. Auch hier hatte sich nicht viel verändert. Die Tür zu Jareds Zimmer ließ sie allerdings geschlossen. Sie fühlte sich noch nicht stark genug, mit den Erinnerungen in diesem Raum konfrontiert zu werden.
    Stattdessen konzentrierte sich Tess auf das, was dringend erledigt werden musste. Sie goss die vor sich hinwelkenden Topfpflanzen und sortierte die verdorbenen Lebensmittel aus dem
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