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See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)

See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)

Titel: See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Jenna Aaron
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Kühlschrank aus.
    Kopfschüttelnd warf sie ein ganzes Netz mit schimmligen Orangen in den Mülleimer. Sie wusste, dass sich Ellen nach Joannas Tod im Ort sehr unbeliebt gemacht hatte. Freunde hatte sie mit Sicherheit keine mehr in Shadow Lake gehabt. Aber Tess hatte trotzdem gedacht, in so einem kleinen Ort wären die Menschen in einer Notlage füreinander da. Dass sich keiner der Nachbarn nach ihrem Tod wenigstens um das Nötigste gekümmert hatte, war für sie wie ein Schlag ins Gesicht.
    Nachdem alles Wichtige erledigt war, packte Tess ihr letztes mitgebrachtes Sandwich aus, ließ sich auf das breite, bequeme Sofa fallen und schaltete den Fernseher ein. Ein bisschen Ablenkung konnte sie jetzt gut gebrauchen.
    Sie zappte sich durch die verschiedenen Kanäle, während sie lustlos auf dem wie Pappe schmeckenden Brot herumkaute. Auch das Fernsehprogramm war nicht gerade nach ihrem Geschmack. Neben jeder Menge Werbespots liefen alte Liebesschnulzen, idiotische Reality-Shows und die Wiederholungen einiger Serien. Tess blieb bei einer Tierdokumentation aus dem australischen Dschungel hängen. Das fand sie zumindest einigermaßen interessant.
    Aber nur wenige Minuten später schaltete sie das Gerät wieder aus. Sie konnte sich ohnehin nicht auf das Programm konzentrieren, da ihre Gedanken immer wieder in die Vergangenheit abschweiften. Minutenlang saß sie schweigend auf dem Sofa und dachte nach.
    Irgendwann reichte es ihr jedoch. Sie raffte sich auf und beschloss, nicht länger zu grübeln. Stattdessen ging sie zu der Wand des Wohnzimmers, die Ellen über und über mit Fotos dekoriert hatte. Unzählige Kinderbilder vom Baby- bis zum Highschoolalter von Tess und Ellens Sohn Jared hingen neben Bildern von Tess` Eltern und Ellens Mann Jonathan, die vor etlichen Jahren gemeinsam bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Für Ellen war es damals selbstverständlich gewesen, nicht nur ihren Sohn Jared allein aufzuziehen, sondern sich auch noch um die knapp ein halbes Jahr jüngere Tess zu kümmern. So waren die beiden wie Geschwister aufgewachsen.
    Mit geschlossenen Augen bemühte sich Tess, sich an ihre Eltern zu erinnern, an ein Gesicht, ein Lächeln, eine Stimme. Doch es gelang ihr nicht. Alles, was sie von ihrer Mutter und ihrem Vater wusste, war das, was andere ihr über die beiden erzählt hatten. Auch ihre Gesichter kannte sie nur von Fotos. Sie war noch zu klein gewesen, als sie den Unfall gehabt hatten, um eigene Eindrücke von ihrer Mutter und ihrem Vater behalten zu haben. Im Gegenteil, immer wenn sie versuchte, an ihre Mutter zu denken, kam ihr ganz automatisch das Gesicht ihrer Tante in den Sinn. Ellen hatte ihr die Eltern so gut ersetzt, dass sie eigentlich nie das Gefühl gehabt hatte, etwas zu vermissen.
    »Aber dich vermisse ich, Tante Ellen«, flüsterte Tess traurig. Und insgeheim gestand sie sich ein, dass ihr auch Jared immer noch fehlte. Sie seufzte und wandte sich den anderen Bildern zu.
    Tess fiel auf, dass es an der Wand keine Fotos aus den letzten sieben Jahren gab. Das neueste Bild zeigte sie zusammen mit Jared an seinem achtzehnten Geburtstag. Während sie selbst wie ein Honigkuchenpferd in die Kamera grinste, zog Jared eine seiner berühmten Grimassen. Sogar auf diesem nicht besonders vorteilhaften Bild war deutlich sein Charme zu erkennen, mit dem er fast alle um den Finger hatte wickeln können.
    Tess nahm das Bild von der Wand und betrachtete es lange. Bei dem Gedanken daran, wie stolz sie immer darauf gewesen war, dass er die Rolle des großen Bruders bei ihr eingenommen hatte, lächelte sie traurig. Er war immer für sie da gewesen, auch wenn sein übertriebener Beschützerinstinkt sie manchmal an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte. Wieder seufzte sie. Sein Geburtstag war einer der letzten wirklich glücklichen, unbeschwerten Tage ihres Lebens gewesen. Tess spürte, wie ihr bei der Erinnerung daran die Tränen in die Augen stiegen, doch diesmal kämpfte sie nicht dagegen an.
    Wenn sie an jenem verhängnisvollen Abend doch bloß nicht ihre Jacke im Auto vergessen hätte! Vielleicht wäre dann alles ganz anders gekommen.
    Sie erinnerte sich immer noch an jedes Detail des grausamen Anblicks. So oft war sie die Ereignisse in Gedanken durchgegangen, hatte sie wie einen Film vor ihrem inneren Auge abspielen lassen, dass sie ihr unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt waren.
    Es waren vor allem Joanna leblose Augen, die sie seitdem Nacht für Nacht verfolgten. Aber auch tagsüber, wenn sie
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