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See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)

See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)

Titel: See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Jenna Aaron
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Jacke im Auto gelassen! , dachte sie wie schon so viele Male zuvor.

5. Kapitel
     
    Am nächsten Morgen machte sich Tess nach dem Frühstück auf den Weg zum Friedhof von Shadow Lake. An diesem Tag, genau zwei Wochen nach dem Flugzeugunglück, sollte endlich die Beerdigung ihrer Tante stattfinden. Es hatte lange gedauert, bis die sterblichen Überreste der Opfer des Flugzeugunglücks freigegeben worden waren. Viele von ihnen waren völlig verbrannt und nur anhand von zahnärztlichen Unterlagen zu identifizieren gewesen.
    Während der kurzen Autofahrt versuchte Tess, das ungute Gefühl zu unterdrücken, das sie überkam. Wie sollte sie die folgenden Stunden nur überstehen? Neben ihrem eigenen schlechten Gewissen, weil sie sich nicht mehr mit Ellen hatte aussprechen können, quälte sie der Gedanke an die Beileidsbezeugungen, die sie über sich ergehen lassen müsste.
    Sie fragte sich, wer zu Ellens Beerdigung kommen würde. In einem kleinen Ort wie Shadow Lake, wo jeder jeden kannte, waren Begräbnisse gesellschaftliche Ereignisse. Eine Teilnahme war so etwas wie eine Pflichtveranstaltung, es sei denn, man hatte triftige Gründe dafür, nicht zu erscheinen. Daher ging Tess davon aus, dass die meisten Einwohner von Shadow Lake anwesend sein würden, und sei es nur, um sie selbst neugierig zu begaffen und den aktuellen Klatsch und Tratsch auszutauschen. Sie hoffte inständig, dass sie die Fassung bewahren und nicht vor den Augen des versammelten Ortes zusammenbrechen würde.
    Dass zumindest der letzte Teil ihrer Befürchtungen unbegründet gewesen war, stellte sich kurz darauf heraus. Außer ihr und Reverend Cole, der die Zeremonie leitete, war nur noch ein einziger Trauergast anwesend: Rosie Bergman, eine alte Freundin von Ellen, die schon lange vor Jareds Verschwinden nach Portland gezogen war. Die beiden Frauen hatten über die Jahre losen Kontakt gehalten.
    Rosie wartete am Eingang des Friedhofs und begrüßte Tess herzlich, als sie ankam. Die alte Dame wirkte kleiner, als sie eigentlich war, denn sie hielt sich extrem gebückt und auf einen Stock gestützt. Tess war bestürzt, wie alt sie aussah. Doch als sie nachrechnete, stellte sie fest, dass Rosie bereits die Achtzig überschritten hatte. Umso mehr freute sie sich, dass die alte Freundin ihrer Tante den weiten Weg aus Portland auf sich genommen hatte, um Ellen die letzte Ehre zu erweisen, und das sagte sie ihr auch.
    »Ach weißt du, Schätzchen«, erwiderte Rosie heiser. »In meinem Alter gibt es nicht mehr so viele liebe Menschen, die noch bei einem sind. Da sollte man jeden Freund auf seinem letzten Weg begleiten. Man weiß schließlich nie, wann man selbst an der Reihe ist.«
    Tess nickte. Das weiß man in keinem Alter, dachte sie mit einem flüchtigen Blick auf den weiter südlich gelegenen Teil des Friedhofs. Dort lag Joannas Grab. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie sich bei ihrem Begräbnis alle Einwohner des Ortes auf dem Friedhof versammelt hatten. Auch Reporter von mehreren Zeitungen und sogar zwei Fernsehteams waren dort gewesen. Schnell verdrängte sie den Gedanken daran und ging neben Rosie langsam zu der Stelle, an der Ellen begraben werden sollte.
    Dort wartete bereits der Reverend. Dass dieser sofort mit der Begrüßung begann, sobald Rosie und sie an Ellens Sarg standen, erstickte Tess` Hoffnung auf weitere Trauergäste im Keim. Er zumindest schien mit keinem der Einwohner von Shadow Lake zu rechnen.
    Das strahlend schöne Wetter an diesem Tag passte überhaupt nicht zu Tess` Stimmung. Überall auf dem Friedhof streckten Tulpen und Zierlauch ihre Blüten in die Sonne, die jungen Blätter der umstehenden Bäume waren freundlich hellgrün und die Vögel zwitscherten fröhlich.
    Von all dem bekam Tess jedoch nichts mit. Wie gelähmt stand sie am Rand des Grabes. In diesem Moment fühlte sie keine Trauer, keinen Schmerz. Es war einfach nur eine tiefe, dunkle Leere in ihr. Vorsichtig strich sie über das dunkle, seidig schimmernde Holz des Sarges. Sie hatte die gesamte Bestattung telefonisch organisieren müssen, war sich aber sicher, dass ihre Wahl Ellen gefallen hätte. Zumindest dieser Gedanke hatte etwas Tröstliches. Krampfhaft vermied Tess sich vorzustellen, wie der Inhalt des Sarges wohl aussehen mochte.
    Während der kurzen Beerdigungszeremonie drehte sich Tess unwillkürlich immer wieder um und suchte die Umgebung mit den Augen ab. Fast erwartete sie, Jared irgendwo hinter den Grabsteinen zu entdecken. Dass Ellen ohne ihn
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