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See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)

See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)

Titel: See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Jenna Aaron
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Cousin und ihrer Freundin zu hören war. Also muss ich doch ganz bis zum See runter, dachte sie und verzog das Gesicht. Doch je näher Tess der Landzunge kam, umso merkwürdiger erschien ihr die Stille.
    Sie wurde unruhig. Normalerweise müsste sie doch schon lange die Stimmen von ihren Freunden hören. Es standen ja nur noch ein paar Bäume zwischen ihr und dem Seeufer. Wieder blieb sie stehen und lauschte. Sie hörte das leise Plätschern des Wassers und den Wind, der die Blätter in den Baumkronen über ihr bewegte. Die Geräusche des Waldes und des Sees kamen ihr jetzt unnatürlich laut vor, aber sie hörte weder Jareds noch Joannas Stimme. Waren die beiden vielleicht doch schon gegangen und sie hatten sich verpasst? Es gab mehrere Wege von der Landzunge zum Parkplatz. Vielleicht hatten Joanna und Jared ja einen anderen genommen als normalerweise. Eigentlich war das eher unwahrscheinlich, doch ganz ausschließen konnte sie es natürlich nicht.
    Tess runzelte nachdenklich die Stirn. Dann hatte sie eine Idee: Vielleicht waren die beiden ja auch eingeschlafen. Gerade Jared hatte ziemlich viel von dem Wein getrunken, da war das gar nicht so abwegig. Vermutlich saß Joanna auf der Decke und wartete auf sie, während Jared vor sich hinschnarchte.
    Von diesem Gedanken halbwegs beruhigt lief Tess weiter. Doch kurz bevor sie sich ihren Weg durch die dichtstehenden Sträucher vor dem Seeufer bahnte und freien Blick auf die Landzunge hatte, stieg ein ungutes Gefühl in ihr auf, das sich nicht mehr verdrängen ließ. Sie merkte, dass sie eine Gänsehaut bekam, und schlang unwillkürlich die Arme um sich.
    Irgendetwas stimmte da nicht. Sie wusste selbst nicht, warum, aber sie war sich plötzlich ganz sicher. Da war etwas passiert!
    Sie beschleunigte ihre Schritte und wand sich durch dichtes Gestrüpp. Dass sie sich den Ärmel ihrer Jacke an einem Aststummel aufriss, und auch die Haut eine ordentliche Schramme abbekam, merkte sie kaum. Zu groß war die Sorge um ihre Freunde.
    »Jared? Joanna? Wo seid ihr? Jetzt sagt doch was!«, schrie Tess. Panik lag in ihrer Stimme, aber es kam wieder keine Antwort.
    Noch bevor sie es sah, bemerkte sie den seltsamen Geruch. Es roch irgendwie nach Metall. So wie eine Münze, die man lange in der warmen Hand gehalten hatte. Sie stürzte hinter den Sträuchern hervor – und blieb abrupt stehen.
    Im Licht der untergehenden Sonne sah sie ihre Freundin. Joanna lag zwischen den Felsen, ihr Körper seltsam verdreht, der Kopf halb im Wasser. Die eisblauen Augen, um die Tess sie immer beneidet hatte, waren vor Schreck weit aufgerissen, ihr Gesicht war in einem erstaunten, ja fassungslosen Ausdruck erstarrt. Die langen blonden Haare lagen im Wasser, von den Wellen des Sees leicht hin- und hergetrieben.
    Und überall war Blut, unglaublich viel Blut! Joannas T-Shirt, das vorher strahlend weiß gewesen war, hatte sich dunkelrot verfärbt, ihre Jeans wirkte im dämmrigen Licht beinahe schwarz. Das Seewasser, in das immer noch Blut aus den verschiedenen Wunden sickerte, verdünnte und verteilte es wie eine rote Wolke und schien es noch zu vervielfachen.
    Im Sand vor Joannas leblosem Körper lag das große Messer aus Tante Ellens Küche, mit dem Tess noch kurz vorher das Obst geschnitten hatte. Der Griff sah sauber aus, aber die lange, breite Klinge war ebenfalls voller Blut.
    Instinktiv wollte Tess ihrer Freundin helfen, wollte zu ihr hinlaufen, sie aufwecken, ihr hochhelfen. Aber sie schaffte es nicht, sich von der Stelle zu rühren. Joanna ist tot! Du kannst nichts mehr für sie tun , sagte ihr eine innere Stimme.
    Reglos starrte Tess auf ihre Freundin. Sie wollte schreien, aber selbst das konnte sie nicht. Die Panik und der Schrecken schnürten ihr die Kehle zu.
    Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie so an der Landzunge gestanden hatte. Es konnten Sekunden oder auch Minuten gewesen sein, möglicherweise sogar noch länger. Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke: Wo war Jared? Er musste doch hier irgendwo sein.
    Sie sah sich verwirrt um, aber ihr Cousin war nicht zu sehen.
    »Jared?«, versuchte sie zu schreien, doch es kam kaum mehr als ein Krächzen aus ihrer Kehle. »Jared?«
    Keine Antwort.
    Wieder versuchte sie es. »Jared? Wo bist du? Sag doch was!« Ihre Stimme klang hell und schrill. Mit angehaltenem Atem lauschte sie. Doch auch jetzt antwortete niemand.
    Mit einem Mal fühlte sich Tess so allein wie noch nie in ihrem Leben. Sie hatte nur einen Gedanken: Sie musste hier weg, und zwar so schnell
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