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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten
Autoren: Michael Theurillat
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Steinkörper aus, der sich nach oben ausweitete und wie eine überhängende, leuchtende Felswand wirkte. Vor dieser Wand erkannte er, dunkel wie einen Schatten, die Umrisse Alexander Kronenbergers.
    Die Tür schloss sich hinter seinem Rücken. Sie waren allein.
    »Es ist weißer Onyx, Herr Eschenbach.« Der Anwalt legte seine Hand an die Steinwand. Er stand mit dem Rücken zum Kommissar. »Sie haben es sicher gleich erkannt, nicht wahr? Böse Zungen nennen ihn den Stein der Egoisten. Ich würde eher sagen, er dient der Selbstverwirklichung. Aber das kann man sehen, wie man will.«
    Der Kommissar beobachtete, wie sich die Gestalt von der Wand löste und sich ihm zuwandte. Aber weil der Onyx hell erleuchtet war, konnte Eschenbach das Gesicht des großen, schlanken Mannes nicht erkennen.
    »Wir befinden uns hier im Andachtsraum, Herr Eschenbach. Er steht allen Religionen offen und bietet die Möglichkeit zur Meditation.« Wie schon zuvor brach sich die sonore Stimme des Anwalts an den kahlen Wänden.
    »Ich komme nicht, um zu meditieren«, sagte Eschenbach.
    »Ich weiß.« Ein kurzes Lachen erklang. »Ich bin nicht dumm, Herr Eschenbach. Sie sind hier, um Abmachungen zu treffen. Wissen Sie, ich bin Pragmatiker. Wenn ich in die Enge getrieben werde, dann beuge ich mich und suche einen Kompromiss. Und so wie es aussieht, haben Sie die Akte gefunden. Keine Ahnung, wie Sie das hinbekommen haben. Denn eigentlich hatte ich gedacht, dass ich das nun alles aus der Welt geschafft habe. Manchmal täuscht man sich eben. Und dann hat man den Dreck. Aber das ist mein Problem.«
    »So sieht es wohl aus«, sagte Eschenbach.
    »Wir müssen uns nichts vormachen, Eschenbach. Sie sehen ja, wo wir hier sind. Nur, das war nicht immer so. Als die FIFA gegründet wurde, war es ein kleiner Verein schweizerischen Rechts. Nicht größer als der Gesangverein Neerach, in dem ich gelegentlich mitsinge. Es gibt Tausende solcher Vereine in unserem Land. Sie wissen das … sind ja auch Jurist, Herr Eschenbach.«
    »Um das geht es hier nicht«, sagte der Kommissar.
    »Doch! Um das geht es. Sie wollen es nur nicht richtig begreifen. Wir sind gewachsen, Eschenbach. Die Rechtsform ist zwar immer noch dieselbe – aber die Größe, die hat sich verändert. Wir sind die mächtigste Gemeinschaft auf diesem Planeten geworden, bedeutender noch als die katholische Kirche. Und das muss man sich erst einmal vor Augen führen.«
    Kronenberger ging zwei Schritte auf Eschenbach zu. »Der Fußball macht’s möglich. Man würde es nicht meinen. Und doch: Einen Markt dieser Größenordnung erobert man nicht, ohne einen Haufen Scherben zu hinterlassen. Das wussten wir alle.Dieses Jahrhundert ist eine einzige Hure, Eschenbach. Es saugt denen, die etwas errichten und erobern wollen, das Mark aus den Knochen.« Kronenberger seufzte. »Aber Sir Peter, der alte Bischoff … das Alter hat ihn verweichlicht. Hatte Angst um sein bisschen Komfort. War abgenutzt, durch seine Kinder …«
    »Er hat Sie erpresst, das war es doch, Herr Kronenberger, Erpressung«, unterbrach Eschenbach. »Er hatte Sie in der Hand. Und als Bischoff tot war und Charlotte seine Unterlagen in die Hände bekommen hat …«
    »Ach was!«, rief der Anwalt verärgert. »Erpressung – Sie verstehen gar nichts, Eschenbach. Wir haben Abmachungen getroffen und verhandelt. Jeder zog seine Vorteile daraus. Auch Charlotte! Aber dann änderten sie die Spielregeln. Der alte Bischoff entdeckte bei sich plötzlich irgendwelche Skrupel, wie ein kleiner Buchhalter, und Charlotte, diese Idiotin, glaubte, ihr kleiner Balg würde alles verändern. Ein Präsident kann sich kein Zigeunerkind leisten, ein geistig zurückgebliebenes schon gar nicht.«
    »Der Präsident also«, sagte der Kommissar.
    »Wie ich sehe, sind Sie nicht selbst darauf gekommen. Nun gut. Jetzt wissen Sie’s. Offenbar habe ich Sie überschätzt, Eschenbach.«
    »Latscho ist das Kind Ihrer Tochter.«
    »Töchter!« Kronenberger lachte laut auf. »Für diesen Fehltritt habe ich gebüßt. Ein Leben lang gebüßt, Kohle abgedrückt und den Hanswurst gespielt. Saba wollte Macht und Charlotte Gerechtigkeit. Da soll sich einer mal zurechtfinden. Und beide rannten sie doch nur den Krümeln hinterher. Ich stieg allein die Stufen empor …«
    Es klackte in Eschenbachs Rücken. »Nicht umdrehen«, befahl eine schneidende Stimme. Dann hörte der Kommissar das Geräusch einer sich schließenden Tür.
    Der Kommissar blieb wie angewurzelt stehen, den Blick auf
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