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Sechselauten

Sechselauten

Titel: Sechselauten
Autoren: Michael Theurillat
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Kronenberger gerichtet. Aber auch der Anwalt rührte sich nicht.
    »Du hast sie alle umgebracht, Alex. Warum?« Schritte näherten sich von hinten.
    »Was soll diese scheinheilige Frage? Du hast ja mitgemacht, konntest den Hals nicht voll genug kriegen …« Der Anwalt machte einen Schritt nach vorn: »Hören Sie nicht auf sie!«
    Die Schritte in Eschenbachs Rücken kamen näher.
    »Plötzlich entschied sich die ganze Bande, mich zu verraten«, fuhr Kronenberger unbeirrt fort. »Fingen an zu reden. Mir blieb keine Wahl. Nachdem ich den alten Bischoff erledigt hatte, ging es eine Weile gut. Saba hat dafür gesorgt, dass alles unter dem Deckel blieb, bis es kürzlich mit Charlotte wieder von vorne anfing. Und alles wegen dieses Kleinen. Es sind immer die Kinder, Eschenbach. Bringen alles durcheinander.«
    Der Kommissar spürte, wie der Körper hinter ihm näher gekommen war. Er überlegte, ob er sich blitzschnell umdrehen sollte. War es die Stimme, die er kannte? Durch den Hall hatte sie sich leicht überschlagen. Eschenbach war sich nicht sicher. Dann bemerkte er die Waffe. Langsam schob sie sich auf der Höhe seiner rechten Schulter ins Blickfeld. Ein Revolver, sechsschüssig, mit braunem Griff. Dann die Hand, die er kannte – dann der Arm.
    »Nicht bewegen«, flüsterte die vertraute Stimme in seinem Nacken.
    Der gestreckte Arm zeigte auf die schattenhafte Gestalt Kronenbergers. Es war, als zielte Eschenbach selbst auf den Anwalt.
    »Machen Sie etwas, Eschenbach. Sie wollen hier doch nicht zusehen, oder?« Kronenbergers Stimme klang noch immer verärgert, aber keineswegs panisch.
    »Hat Saba Charlotte umgebracht?«, fragte Eschenbach.
    »Ja«, flüsterte der Mund an seinem Ohr.
    »Tot – mulo. Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr«, bellte Kronenberger.
    »Und Saba ist also Mulo?«
    »In den Augen von Charlotte vielleicht.« Jetzt lachte der Anwalt. »Dieses Theater um diese Sagengestalt, ich kann’s nicht mehr hören …« Kronenberger machte einen Schritt vorwärts, lachte weiter. »Das ist Mulo!« Er streckte nun seinen Arm, zeigte auf den Kommissar. »Ein hässliches Gespenst. Drehen Sie sich einmal um, Eschenbach. Dann sehen Sie’s!«
    Der Kommissar erblickte das Mündungsfeuer der Waffe. Im Halbdunkel sah es aus, als würden Streichhölzer gleichzeitig angezündet und wieder ausgelöscht.
    Rhythmisch – in kurzen, aufeinanderfolgenden Abständen feuerte Lara Bischoff eine Kugel nach der anderen in die lachende, zuckende, dunkle Silhouette Kronenbergers. Und als Lara bis auf fünf durchgezählt hatte, hielt sie einen Moment inne. Geschickt war sie Eschenbach ausgewichen, als er versucht hatte sie zu behindern. Nun sah er sie an. Warum tat er das? Er durfte sich nicht umdrehen. Hatte sie es ihm nicht verboten?
    Bevor sie zu Saba gefahren war, da hatte sie sich den Verband abgenommen. Im Auto, vor dem Haus. Diese Schlampe sollte sehen, was sie mit ihrer Vertuscherei angerichtet hatte. Aber Saba war schon tot. Sie hätte Sabas Blick gerne gesehen.
    Dafür sah sie jetzt Eschenbach, wie seine Augen voller Abscheu auf ihrem erbärmlichen Gesicht ruhten.
    »Nicht … Lara, tu’s nicht!«, schrie er.
    Lara biss auf das harte Metall und drückte ab. Eine helle, warme Sonne ergoss sich über all ihre Sinne.
    Eine Stunde war vergangen, und im FIFA -Gebäude wimmelte es von Polizisten. Es war Jagmetti, der den Einsatz leitete. Eschenbach hatte ihn kurz nach dem Drama im Andachtsraum verständigt.
    Auch die ersten Journalisten waren eingetroffen.
    Eschenbach, der für eine kurze Weile draußen im Park gewesen war, ging nun zurück in die Eingangshalle. Von weitem sah er, wie der Präsident mit tiefbesorgter Miene in die Mikrophoneder Medienleute sprach. Einen Steinwurf davon entfernt entdeckte er Claudio.
    Der Bündner schien ihn ebenfalls gesehen zu haben. Er kam eilig herbei: »Geht’s dir besser?«, fragte er.
    Eschenbach nickte. »Der Kreislauf … Bin draußen gewesen, an der frischen Luft, mich bewegen. Hast du schon etwas gehört?«
    Jagmetti sah auf die Uhr, schüttelte den Kopf: »Die müssten bald dort sein. Aber der Präsident … der wollte dich noch kurz sprechen. Allein, hat er gesagt. In seinem Büro.«
    Einer der internen Sicherheitsleute der FIFA ging mit dem Kommissar die Treppe hoch und führte ihn in den Raum des mächtigsten Mannes des Weltfußballs. Eschenbach wartete. Dabei betrachtete er ein Bild an der Wand. Ein kleines Aquarell, nicht größer als ein DIN-A 4 -Blatt. Es war
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