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SECHS

SECHS

Titel: SECHS
Autoren: Niels Gerhardt
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lenkte, sah sie im Fenster, wie sich die Gardine bewegte. Von da an hatte sie nicht mehr nur ein schlechtes Gefühl bei der Sache, sondern ihr ganzer Magen verkrampfte sich.
    „Frau Brenner, ich bin's noch mal.“
    Erneut das Schrillen der Klingel.
    Wenige Sekunden darauf schwang die Tür auf. Severin versuchte etwas zu erkennen, aber alles, was sie sah, war ein dunkles Rechteck, das zu großen Teilen auch noch vom Kollegen verdeckt wurde - wie alles andere auch, das sich in ihm abspielte.
    „Kommen Sie herein“, sagte eine Frauenstimme. Das musste Frau Brenner sein. Ihr Kollege nickte jetzt und verschwand im Rechteck. Die Tür schloss sich. Severin lauschte angespannt. Schritte. Dann hörte sie den Kollegen.
    „Hallo Frau Brenner, ich hoff ...“ Stille. Irgendetwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Severin richtete sich im Beifahrersitz auf.
    „Was zum ...“, hörte sie Jasper erstaunt ausrufen. Dann ertönten ein gedämpftes Knallgeräusch und ein dumpfer Schlag. Ruhe. War das ein Schuss gewesen?
    „Was haben Sie getan. Sie sind ja völlig Irre“, schrie die Frauenstimme jetzt.
    „Halt's Maul. Du hast gelogen! Das war ein Bulle! Du hast die Bullen ins Haus geholt.“ Ein Klatschen, dann ein erstickter Schrei. Im Hintergrund weinten die Kinder panisch.
    Da war für Severin klar, dass hier alles schief lief - und zwar gründlich. Sie musste handeln. Severin griff zum Funkgerät.
    „Hier Terra II. Benötigen Verstärkung! Vermutlich Schussabgabe mit involviertem Kollegen“, brüllte Severin.
    Kurz darauf ein Knacken.
    „Terra II. Verstanden.“
    Auch wenn der Wagen seine GPS-Position schon längst an das Lagezentrum verraten hatte, gab Severin die Koordinaten durch – sicherheitshalber.
    „Bestätigt“, kam es aus dem Funkgerät.
    „Was war das? Hast du das auch gehört?“ Der Mann aus dem Handy. Laute Ratschgeräusche folgten. Severin blickte entsetzt auf das Telefon. Sie hatte sich verraten! Ihr wurde heiß und kalt. Sie sah hinüber zum Haus. Da war es wieder, die Gardine bewegte sich.
    „Ich sehe dich“, flüsterte die Stimme aus dem Lautsprecher. Dann wurde die Verbindung unterbrochen und die Gardine schwang zurück.
    Was sollte sie jetzt tun? Hier saß sie auf der Abschussliste. Sie musste raus aus dem Wagen, sich dahinter verschanzen und den Eingang im Blick behalten, bis die Verstärkung eintreffen würde.
    Severin zog sich geduckt über den Fahrersitz, öffnete die Tür und ließ sich auf den Boden gleiten. Nachdem sie die Fahrertür geschlossen hatte, ging sie hinter dem Kotflügel in Position und zog ihre Waffe. Sorge bereitete ihr der Verkehr, vor allem aber die arglosen Passanten. Aber an eine Absperrung war jetzt nicht zu denken. Das mussten die Kollegen besorgen.
    Sie wählte die Nummer ihres Reviers, schilderte die Situation und machte deutlich, dass dringend ein Sondereinsatzkommando benötigt wurde - das hier entwickele sich gerade zu einer kapitalen Geiselnahme. Severin forderte zur Sicherheit auch gleich einen Dolmetscher an. Der Geiselnehmer spreche mit russischem Akzent. Der Kollege am anderen Ende bestätigte wieder und wies sie an, ihre Position zu halten, aber keine Alleingänge zu veranstalten. Die Verstärkung sei so gut wie unterwegs.

-97-

    „Hast du mal in den Fernseher geschaut? Da gibt es offenbar eine Geiselnahme.“
    „Ja. Aber nicht unsere Sache, sondern die des SEK“, antwortete Raith, ohne den Blick vom Kopierer zu nehmen.
    „Ich denke schon. Unsere Sache, meine ich“, widersprach Reimar.
    „Die Medien berichten von einem Mann mutmaßlich slawischer Herkunft. Ich habe ein bisschen telefoniert. Der Geiselnehmer verschanzt sich in einem Haus, dessen Anschluss zuletzt von Rentsch angerufen wurde. Es gehört einer Familie Brenner. Ich wette, das ist unser Mann.“
    Jetzt drehte sich Raith um.
    „Und was gibt es da für einen Zusammenhang? Waren wir schon bei den Leuten?“
    „Nein. Die Verbindungsdaten haben wir auch erst seit kurzem. Ich war dran.“
    „Dann los!“, sagte Raith. Er ließ die Unterlagen einfach auf dem Kopierer liegen und beide machten sich auf den Weg.

-98-

    Sirkowsky lief im Wohnzimmer umher. Seine Narbe juckte nicht nur, sie brannte. Vor dem Fenster spielte sich ein für ihn unfassbares Schauspiel ab. Seit rund dreißig Minuten sickerte ein Meer aus Polizei- und Krankenwagen in die Straße ein und erfüllte sie mit einem Blaulichtgewitter. Noch beunruhigender aber waren die Spezialkräfte, die er manchmal im Schutz der parkenden
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