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SECHS

SECHS

Titel: SECHS
Autoren: Niels Gerhardt
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Wagen hin- und hereilen sah. Sie trugen schwarze Kampfanzüge, schusssichere Westen und waren mit Sturmhauben maskiert. Er wettete, dass einige von ihnen schon längst Position bezogen hatten, in evakuierten Wohnungen auf der gegenüberliegenden Seite saßen und gerade ihre Zielfernrohre justierten.
    Das ganze sichtbare und unsichtbare Geschehen wurde vom Knattern der Rotorblätter mindestens zweier Hubschrauber untermalt. Er vermutete, dass einer der Polizei gehörte und der andere, den Bluthunden von der Presse.
    Wie zum Teufel hatte es soweit kommen können? Niemals zuvor war ihm die Kontrolle so entglitten, dass er wie der Fuchs in der Falle steckte. Kämpfen war keine Option. Er war weder lebensmüde, noch dumm. Alles, was er der versammelten Feuerkraft vor der Tür entgegenzusetzen hatte, waren die zwei Magazine seiner P8. Das waren insgesamt neunundzwanzig Schuss - einen hatte er bereits abgegeben - zuzüglich der fünfzehn Schuss, die im Magazin der Waffe steckte, die er dem „Versicherungsvertreter“ abgenommen hatte. Dann waren da noch seine Garotte und ein Messer. Da draußen versammelte sich aber gerade halb Berlin.
    Davon abgesehen bezweifelte er, dass es überhaupt zu einer offenen Konfrontation käme, er auch nur einem der Bullen im Kampf gegenüberstehen würde. Denn am Wahrscheinlichsten war, dass sie zunächst versuchen würden, Betäubungsgas einzuleiten.
    Und was war mit Abhauen? Ein neuerlicher Blick aus dem Fenster machte ihm klar, dass es dafür eigentlich zu spät war. Also, was blieb? Die einzige Antwort: Verhandeln, bis er eine Lösung gefunden hatte. Im Verhandeln allerdings hatte er keinerlei Übung. Nur eines wusste er: Sein Faustpfand für Verhandlungen saß schlotternd auf der Couch und mit dem Bullen im Flur hatte er noch ein weiteres Ass im Ärmel - wenn auch ein totes. Doch das wusste von denen da draußen ja keiner.
    Sirkowsky wendete sich Frank zu:
    „Ich brauche Überblick. Wo ist der Fernseher?“
    „Wir haben keinen“, antwortete Frank und klang dabei durch seine geschwollene Nase als würde er durch ein Blasrohr sprechen.
    „Ah! Ihr seid euch sicher zu fein, hm? Lest bestimmt einen Haufen Bücher?“ Niemand reagierte. Die Familie schaute nur betreten zu Boden.
    „Du“, Sirkowsky zeigte auf Melanie, „hilfst mir jetzt!“
    Die Kinder klammerten sich an ihre Mutter und blickten verzweifelt zu ihr hoch.
    „Keine Angst, ich komme gleich wieder!“ Melanie drückte ihre Töchter und nickte dann in Richtung Sirkowsky.
    „Was soll ich tun?“
    „Hol' nasse Handtücher und dichte damit jede Ritze nach draußen ab. Türen, Fenster ... alles. Außerdem lässt du die Läden herunter und schaffst Kerzen und Taschenlampen her. Du hast zehn ... nein fünf Minuten. Machst du was Krummes, dann nehme ich mir die da vor.“ Er nickte in Richtung Sofie.
    „Hören Sie“, sagte Frank, „noch ist es nicht zu spät. Lassen Sie meine Familie laufen.“
    Sirkowsky reagierte nicht darauf, sondern brüllte nur:
„Los jetzt! Fang hier an!“ Melanie gehorchte. Nachdem sie den Rollladen im Wohnzimmer hatte heruntersausen lassen, rannte sie. Angekommen in einem Raum, dichtete sie ab, was abzudichten war, ließ auch dort den Laden herunter und lief dann zum nächsten Zimmer. Und so arbeitete sie sich durchs Haus. Kurze Zeit später war sie in der Küche angekommen.
    Aus dem Schrank schob sie alle Teelichter und Kerzen in eine Plastiktüte und lief dann in den Keller. Dort fand sie eine Taschenlampe. Die allerdings leuchtete nur noch schwach. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Die fünf Minuten waren fast um. Sie hatte keine Zeit mehr, nach Ersatzbatterien zu suchen. Es reichte gerade noch, um die Kellertreppe hochzukommen, den Hausflur und das zum Wohnzimmer führende Esszimmer zu durchqueren - vielleicht nicht mal mehr das.
    Melanie nahm zwei Stufen auf einmal, rannte durch den Flur zurück und wollte gerade nach rechts in das Esszimmer abbiegen, als sie ein Stöhnen hörte. Melanie blieb wie angewurzelt stehen. Das Stöhnen kam von Jasper. Der Mann war nicht tot!
    So wie er gefallen war, zusammengefaltet wie eine Inka-Mumie, hockte er noch immer gegen die Haustür gelehnt: Mit dem Kinn auf die Brust gesunken und beiden Händen im Schoß. Die angewinkelten Beine waren seitlich zu einem V weggeklappt. Seit fast einer Dreiviertelstunde rann ihm Blut aus einem Loch im Kopf, gefräst von dem Projektil, das nun irgendwo in seiner Hirnmasse steckte. Wie konnte er da noch leben?
    Erneut warf
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