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SECHS

SECHS

Titel: SECHS
Autoren: Niels Gerhardt
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Melanie einen verzweifelten Blick auf ihre Uhr. Jetzt war die Zeit abgelaufen! Trotzdem konnte sie ihn doch nicht einfach ignorieren, so tun als habe sie ihn nicht gehört? Er war schließlich gekommen um ihr zu helfen.
    Sein Sterben konnte sie nicht verhindern, aber vielleicht gelang es ihr, ihm auf dem Weg dahin, etwas Trost zu spenden? Mit zwei großen Sätzen war sie bei ihm, kniete sich hin und nahm seine Hand.
    „Können Sie mich hören?“, flüsterte sie. Tatsächlich stöhnte Jasper leise.
    „Halten Sie durch ... vielleicht kann ich ...“
    Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper. Melanie zuckte zusammen. Seine freie Hand rutschte aus seinem Schoß, klatschte mit der Handfläche nach oben zu Boden und wurde dann, nach einem Moment des Innehaltens, nach hinten weggezogen. Melanie erschauderte bei diesem Anblick. Es sah mechanisch aus. So als wäre diese Bewegung gesteuert – aber eben nicht von Jasper. Die Hand verschwand jetzt hinter seinem Rücken. Wieder geschah einen Moment nichts. Dann ein zweiter Ruck, gleich darauf ertönte ein „Klack“ und eine kleine, schwarze Dose kullerte über den Boden. Melanie erkannte sofort, worum es sich handelte. Das war Pfefferspray!
    „Oh Gott“, wisperte sie, „ich danke Ihnen, ich dan...“
    Von rechts ertönte ein Rumpeln, dann ein Schrei. Sie riss den Kopf herum. Ihr Kind! Hastig griff sie über Jasper hinweg nach dem Fläschchen, katapultierte sich in die Höhe und rannte los.

-99-

    Etwa zu der Zeit, als Melanie im Keller gerade nach der Taschenlampe suchte, informierten Raith und Reimar den jungen SEK-Einsatzleiter über die mutmaßliche Identität des Täters. Die Besprechung wurde von Severin unterbrochen, als sie angerannt kam und hektisch mit ihrem Handy wedelte.
    „Das Telefon, das Telefon!“, japste sie und hielt dem Einsatzleiter das klingelnde Smartphone hin. Die drei Männer schauten die Beamtin verständnislos an. Auf dem Display stand „Bent“.
    „Der Kollege! Im Haus!“
    Der Einsatzleiter riss ihr das Telefon aus der Hand, atmete kurz durch und nahm an.
    „Hallo? Jasper?“
    Alle Augen richteten sich gebannt auf ihn. Der Mann lauschte nur, redete aber nicht. Nach einiger Zeit nahm er das Telefon wieder vom Ohr, zuckte ratlos mit den Schultern und schaltete auf Freisprechen. Ein Rauschen.
    „Jasper oder wer immer da ist, sagen Sie etwas! Sirkowsky? Sind Sie das? Wie sind Ihre Forderungen? Ich bin befugt, hier die Verhandlungen zu führen.“
    Zunächst wieder nichts, außer dem Rauschen und Knacken. Dann aber hörten sie doch etwas. Ein Gemurmel, mal lauter, mal leiser, wie an den Strand brandende Wellen. Die Beamten steckten ihre Köpfe über dem Telefon zusammen. Alles was sie verstanden war eine Zahl. Die Acht. Dann Stille. Nicht einmal mehr ein Rauschen war zu hören.
    „Hallo? Reden Sie weiter!“
    Das Rauschen. Dann, urplötzlich, ein verzerrtes Kreischen. Alle zuckten zurück, wie von einem eiskalten Wind berührt. Die Verbindung brach ab und ließ vier irritierte Polizisten zurück, die ratlos auf das Telefon starrten.
    „Das war vielleicht eines der Kinder?“, rätselte Severin und durchbrach damit das Schweigen. Sie blickte fragend in die Runde, aber in den Augen aller las sie, dass niemand daran glaubte. Sie tat es ja selbst nicht.
    „Wir gehen da rein!“
    „Was?“, blaffte Raith und hob beschwörend die Hände, „Ihr habt doch noch nicht mal verhandelt! Wir wissen nicht mal, wo genau sich die Geiseln befinden. Rufen Sie zurück, Mann!“ Der Einsatzleiter ignorierte den Protest und griff zum Funkgerät.
    „Strom abschalten!“

-100-

    Melanie hatte das Esszimmer fast durchquert, als alles um sie herum finster wurde. Sie schrie.
    Die Taschenlampe!
    Hektisch durchwühlte sie die Tüte. Rascheln, Klackern der Teelichter und ihr panischer Atem in der Dunkelheit. Dann erfühlte sie die Lampe, zog sie heraus und schob den Anschalter nach vorne.
    Die Birne warf einen müden, angestrengt zitternden Kegel auf den Boden. Melanie schlug verzweifelt gegen die Lampe. Tatsächlich stabilisierte sich der Strahl etwas. Sofort drehte sie am Stellring des Kopfes, konzentrierte das Licht auf einen trüb-gelben Lichtpunkt und stürmte dann wieder nach vorne. Im Wohnzimmer angekommen, ließ sie das Licht sofort über die Couch gleiten - von rechts nach links und wieder zurück. Sie war leer.
    „Kinder?“, flüsterte sie in den Raum hinein. Keine Antwort.
    „Frank?“ Nichts.
    Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Melanie
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