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SECHS

SECHS

Titel: SECHS
Autoren: Niels Gerhardt
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schwenkte die Lampe nach links. Der Strahl glitt über die Wand zum Fenster und erreichte dann, nach einer halben Drehung ihres Oberkörpers, das Bücherregal in der Ecke. Niemand dort. Sie drehte sich wieder zurück, wollte gerade den Raum rechts von der Couch absuchen, als sie im Schein der Lampe eine Bewegung registrierte. Ein weißer Schuh, direkt neben der Couch! Als das Licht auf ihm haftenblieb, wurde er schnell in die Dunkelheit zurückgezogen. Sie erkannte ihn! Melanie setzte sich sofort in Bewegung und leuchtete die Ecke neben der Armlehne aus. Zusammengekauert, den Kopf zwischen den angezogenen Knien verborgen, saß ihre Tochter.
    „Schatz. Ich bin es. Keine Angst“, flüsterte Melanie und ging vor dem Mädchen in die Hocke.
    Claire blickte auf, blinzelte ins Licht.
    „Wo sind die anderen? Wo ist deine Schwester?“
    Zunächst reagierte die Kleine nicht, sah Melanie nur aus verwirrten Augen an. Dann aber hob sie den Arm und zeigte direkt auf ihre Mutter. Es dauerte einen Moment, bis Melanie begriff: Hinter ihr!
    Sie sprang auf, wirbelte herum und leuchtete in die Richtung, in die ihre Tochter gezeigt hatte. Links neben dem Regal lag etwas Großes auf dem Fußboden. Metall blinkte auf, als es vom Licht erfasst wurde. Es waren die Fixateure! Ihr Mann! Er lag auf seiner rechten Seite, den Rücken zu ihr gewandt und er war nicht alleine. Halb unter ihm begraben: Sirkowsky. Franks linker Arm lag quer über Sirkowskys Bauch und sein Kopf auf dessen Brust. Nach drei großen Schritten hatte sie die Männer erreicht und leuchtete in ihre Gesichter. Beide hatten die Augen geschlossen.
    „Frank ... Liebling?“
    Ein Stöhnen.
    Sie kniete sich hin, ließ die Taschenlampe dabei so hart auf den Boden aufschlagen, dass sie kurz erlosch, dann aber wieder schwach flackernd anging. Melanie umfasste Franks Schulter, zog ihn vorsichtig von Sirkowsky herunter und drehte ihn so sanft wie möglich auf den Rücken.
    „Frank?“ Melanie streichelte sein Gesicht. Er öffnete die Augen.
    „Mel?“
    „Ja, ich bin es! Bist du verletzt?“
    Er hustete.
    „Er wollte ... er hat ...“ Wieder ein Husten und dieses Mal spuckte er Blut.
    „Gott ...“, krächzte Melanie. Sie nahm die Lampe und leuchtete seinen Körper ab. Und das Licht brachte es zutage: Sein Pullover war blutdurchtränkt, das linke Bein unnatürlich verdreht und die Fixateurstangen seines rechten Arms verbogen. Eine der beiden Stangen steckte in Sirkowskys rechter Seite. Frank musste sie ihm da hineingetrieben haben - und das mit sehr viel Kraft. Die Enden der Stangen waren schließlich stumpf und darüber hinaus auch nicht sonderlich lang. Weit konnte sie daher nicht eingedrungen sein.
    „Mel ... wegen der Frau ...“
    „Das ist jetzt unwichtig.“
    Sie lächelte und rang aber gleichzeitig mit den Tränen.
    „Nein! Ich muss ...“, protestierte Frank unter größter Anstrengung, „ ... ich hatte nichts mit ihr. Das musst du mir glauben.“
    Wieder das blutige Husten.
    „Teilnehmerin“, presste er heraus.
    „Ich weiß“, sagte sie erstickt und wischte ihm fahrig das Blut aus den Mundwinkeln. Seine Augenlider begannen zu flackern, wie das Licht der Taschenlampe neben ihr.
    „Habe ... abgewies...“ Da brach er ab. Seine Augen schlossen sich.
    „Frank?“, sie schüttelte ihn.
    „Liebling?“ Keine Reaktion.
    Tränen schossen ihr in die Augen. Noch bevor sie ihr Entsetzen herausschreien konnte, kam von links ein Geräusch.
    „Fump“
    Melanie riss den Kopf herum. Die batteriebetriebene Zeitsteuerung hatte den Gaskaminofen in Betrieb gesetzt und sein Feuer färbte die Umgebung orangerot. Die Flammen gaben preis, was sich bislang in der Dunkelheit verborgen hatte.
    Sofie! Das Mädchen stand erstarrt neben dem Ofen und musterte ihre Mutter stumm. Melanie katapultierte sich in die Höhe, rannte zu ihrem Kind.
    „Alles gut, alles gut“, stammelte Melanie und umarmte sie. Sofie fühlte sich seltsam leblos an, hing regungslos in ihren Armen, ganz so, als ob sie die Umarmung gar nicht spürte. Wieder ein Schrei, wieder von Claire.
    Sirkowsky stand wieder. Er hielt sich die blutende Seite mit der einen Hand und zielte mit der Waffe in der anderen auf die verdutzte Melanie.
    „Nun schau dir das an!“, er nahm die Hand von der Wunde und zeigte ihr die blutige Handfläche.
    „Dein verrückter Mann hat mich tatsächlich erwischt!“
    „... nicht ...?“, krächzte Melanie.
    „Tot?“, Sirkowsky lächelte.
    „Grundgütiger, nein! Nur hart aufgeschlagen, als er
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