Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SECHS

SECHS

Titel: SECHS
Autoren: Niels Gerhardt
Vom Netzwerk:
sofort klar, dass der Mann ihm die Nase gebrochen hatte.
    Sirkowsky war zwischenzeitlich ans Fenster gegangen und beobachtete die Straße, so als sei nichts gewesen.
    „Kann ich ihm etwas zum Kühlen holen?“, fragte Melanie.
    Sirkowsky drehte sich nicht um, sondern antwortete nur mit einer Art wischenden Handbewegung in seinem Rücken.
    Melanie stand auf und durchschritt vorsichtig das Wohnzimmer. Kaum, dass sie die Schwelle zum angrenzenden Esszimmer übertreten hatte, beschleunigte sie ihre Schritte und rannte dann in die Küche. Es dauerte kaum mehr als eine Minute, da war sie mit einem nassen Handtuch zurück. Sirkowsky hatte sich nicht bewegt. Noch immer stand er mit dem Rücken zu ihnen gewandt und starrte aus dem Fenster. Aber er sprach.
    „Das nächste Mal, wenn ich eine Frage stelle, will ich eine Antwort. Also noch einmal: wann?“
    Melanie tupfte mit dem Handtuch vorsichtig über Franks Nase.
    „Ich hole sie heute gegen eins ab.“
    Sirkowsky nickte und drehte sich um.
    „Du holst sie auch heute ab. Wie immer. Aber auf dem Weg wirst du etwas für mich erledigen.“
    Melanie blickte ihn fragend an.
    „Du hast keine Ahnung, warum ich hier bin, was Mamuschka?“ Sirkowsky grinste wieder voller Heiterkeit. Frank versuchte sich aufzurichten, wurde aber von Melanie sofort zurückgedrückt, während sie gleichzeitig an Sirkowsky adressiert den Kopf schüttelte.
    „Ihr seid zu Reichtum gekommen“, sagte Sirkowsky und zwinkerte ihr zu.
    Natürlich! Wie konnte sie nur so blind sein?
    „Sie wollen den Gewinn“, konstatierte Melanie mit tonloser Stimme und setzte hinzu, „wir haben das Geld aber noch gar nicht. Sie können die Quittung haben und es selbst abholen ... wenn Sie uns nur in Ruhe lassen!“
    Sirkowsky setzte sich wieder, verschränkte die Finger ineinander wie zum Gebet.
    „So einfach ist das nicht“, widersprach er, „es ist schon zu viel, dass ihr mich gesehen habt. Du wirst das Geld besorgen.“
    Melanie lachte bitter.
    „Sicher. Ich hole mal eben die Kinder und auf dem Rückweg auch noch Koffer voller Geld. Und dann werden Sie einfach so verschwinden, obwohl wir Ihr Gesicht kennen ...“
    Sirkowskys Gesichtszüge erstarrten. Wie Wasser zu Eis.
    „Deine Frau hat keinen Respekt vor dir“, wandte er sich an Frank, „ich muss wohl deutlicher werden.“ Sirkowsky erhob sich und steuerte erneut auf Frank zu.
    „Schon gut, schon gut!“, schrie Melanie und wedelte beschwichtigend mit den Händen. Alarmiert richtete sich Frank auf. Die Armbeuge hielt er über die Nase gepresst und den anderen Arm, zur Abwehr des nächsten Schlags, instinktiv vor sein Gesicht. Im gleichen Moment klingelte es an der Tür. Sirkowsky zog sofort die Waffe.
    Er hatte ein Déjà-vu.

-95-

    „Geh' an die Tür! Sofort!“, zischte er Melanie zu. Sie zögerte nicht eine Sekunde, sprang auf, wie von einer unsichtbaren Kette gezogen und steuerte mechanisch, mit glasigem Blick geradeaus, den Durchgang zum Esszimmer an. Sirkowsky folgte ihr, die Waffe im Anschlag. Es klingelte ein zweites Mal. Eindringlicher als zuvor. Melanie war langsam, zu langsam für Sirkowsky. Er holte sie ein, drückte ihr den Lauf in den Rücken und trieb sie so vor sich her. An der Tür angekommen stoppte Melanie und wartete auf weitere Anweisungen.
    „Wer ist das?“, flüsterte Sirkowsky. Melanie lupfte die Schultern.
    „Frag!“, befahl Sirkowsky.
    Melanie trat dicht vor die Tür. „Ja?“
    „Frau Brenner?“, kam es von draußen. „Hier ist Bent Jasper. Ich komme wegen des Telefonats von vorhin. Ist Ihr Mann aufgetaucht?“
    „Sag 'Ja' und wimmel ihn ab“, raunte Sirkowsky.
    In Sekundenbruchteilen entschied sich Melanie genau für das Gegenteil. Diese eine Chance durfte sie nicht ungenutzt ziehen lassen. Hier standen sich schließlich ein erfahrener Polizist auf der einen und ein Irrer auf der anderen Seite gegenüber. Und die Seite mit dem Irren war verdammt noch mal ihre! Wie aber abwimmeln, ohne es tatsächlich zu tun?
    „Er ist gerade gekommen, aber ...“
    „Kann ich ihn kurz sprechen? Es geht um ...“
    „Das ist gerade schlecht“, unterbrach sie Jasper hastig, „er muss sich noch ausruhen. Wegen der Versicherung kommen Sie einfach in ein paar Tagen noch einmal oder Sie rufen an.“ Auf der anderen Seite herrschte Stille. Sirkowsky lauschte argwöhnisch.
    „Frau Brenner? Ich bin ...“
    „Gehen Sie!“
    „Okay. Gut. Dann ... ich melde mich“, kam es schließlich durch die Tür zurück.
    Es dauerte einen Moment, aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher