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Sechs Brüder wie wir

Sechs Brüder wie wir

Titel: Sechs Brüder wie wir
Autoren: Ravensburger
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geht!“
    Es war der 21. Juli 1969.
    Ich werde mich immer an diese Nacht erinnern.
    Wir saßen zu acht im Halbkreis im Wohnzimmer unserer Wohnung in Cherbourg. Draußen regnete es und drinnen im Zimmer war es finster, nur der Bildschirm unseres kleinen Leihfernsehers mit der ausziehbaren Antenne leuchtete im Halbdunkel … Und während wir so dasaßen, bereitete sich ganz weit oben über unseren Köpfen eine Raumfähre auf die erste Mondlandung vor.
    Gebannt starrten wir auf den Bildschirm. Es war ein wenig wie in einem Science-Fiction-Comic, nur dass die Geschichte, die da erzählt wurde, sich auch wirklich ereignete. Weil es sich um einen älteren Fernseher handelte, war das Bild nicht sehr gut, es zogen andauernd senkrechte Streifen über den Bildschirm hinweg und außerdem wanderten kleine weiße Punkte kreuz und quer in alle Richtungen.
    „Schneit es auf dem Mond?“, fragte Jean Vier.
    „Nein“, sagte Papa und veränderte die Stellung der Antenne. „Das hat mit der Übertragung zu tun. Ihr müsst euch mal vorstellen, wie viele Tausende und Abertausende von Kilometern die Bilder durch den Weltraum reisen müssen, bis sie schließlich in dieser kleinen Kiste landen.“
    Jean Fünf hatte sich ans Fenster gestellt und richtete das Fernglas von Jean Eins auf den Mond.
    „Ich s-sehe die As-stronauten!“, schrie er. „S-sie landen!“
    „Blödmann!“, feixte Jean Eins. „Von hier aus kann man gar nichts sehen!“
    Je näher die schicksalhafte Sekunde rückte, desto aufgeregter waren wir. Es war unser erster gemeinsamer Fernsehabend. Nur dass wir nichts sahen als schwarz-weiße Streifen, die unablässig über den Bildschirm wanderten …
    „Die im Geschäft werden was von mir zu hören bekommen!“, schimpfte Papa und fuhrwerkte mit der Antenne in alle Richtungen herum. „Wir verpassen noch den historischen Moment!“
    Im diesem Augenblick war auf einmal das Bild zu sehen.
    Wir stießen alle einen Schrei aus, als wir die Raumfähre entdeckten. Wie ein großes Insekt aus Metall, das überallhin Fühler ausgestreckt hatte, stand sie auf dem Mond. Ringsum sah es nach einer Eiswüste aus. Alles wirkte reglos und starr.
    „Ist das der Mond?“, fragte Jean Vier leicht enttäuscht. „Und wo ist der Mann im Mond?“
    „Warum nicht gleich noch seine Frau und seine Kinder?“, feixte Jean Eins.
    „Psssst!“, machte Mama, die Jean Sechs bequem vor sich auf die Knie gesetzt hatte.
    Dann öffnete sich die Tür der Mondfähre Apollo, und Neil Armstrong, der Chef der Weltraummission zum Mond, tauchte auf unserem Bildschirm auf. Das Bild zitterte und wackelte.
    Neil Armstrong bewegte sich so langsam wie eine Raupe, die sich aus ihrem Kokon löst. Wegen seines Astronautenhelms konnte man sein Gesicht nicht erkennen. Er hatte einen dick wattierten Astronautenanzug an, der ein wenig an den Strampler von Jean Sechs erinnerte, und trug Schuhe mit dicken, schweren Sohlen. Aber ihm fehlte das Laserschwert, was laut François Archampaut sehr riskant war, wenn man zu einer Weltraummission aufbrach.
    „Völlig ungefährlich, Blödmann“, sagte Jean Eins. „Auf dem Mond gibt es keine Marsmenschen.“
    „Und der Mann im Mond?“, fragte Jean Drei.
    „Pssst!“, machte Papa. „Es ist ein historischer Augenblick.“
    Der Astronaut fing an, die Leiter der Mondfähre hinunterzusteigen, wegen der Schwerelosigkeit im Zeitlupentempo. Irgendwie erinnerte er mich an einen Tauchschüler im städtischen Hallenbad.
    Als er an der letzten Sprosse angelangt war, machte er einen Satz auf die Mondoberfläche, immer noch in Zeitlupe. Seine Schuhe mit den dicken Bleisohlen berührten den Mondstaub. Mir kam es so vor, als setzte er die Füße auf ein Daunenkopfkissen, von dem er gleich wieder abfedern würde.
    Einen Moment blieb er dann mit gespreizten Beinen stehen, als warte er darauf, dass jetzt Tausende von Fotografen seine Heldentat bejubelten. Dann muss ihm eingefallen sein, dass das nicht möglich war, er war ja schließlich der erste Mensch, der einen Fuß auf den Mond setzte. Deshalb machte er einen Schritt nach vorn, bei dem er wie ein Stehaufmännchen hin und her schwankte, entfaltete dann die Fahne, die er in der Hand hielt, und steckte sie auf den Mond, als wäre er ein Bergsteiger, dem es gelungen war, einen als unbezwingbar geltenden Gipfel zu erklimmen …
    „Bzzzzrrrr … Wwwwzzzsch!“, machte der Fernseher.
    Über den Bildschirm wanderten immer schneller schwarz-weiße Streifen und dann war überhaupt nichts mehr zu
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