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Dihati Qo – Die, die sein werden (German Edition)

Dihati Qo – Die, die sein werden (German Edition)

Titel: Dihati Qo – Die, die sein werden (German Edition)
Autoren: Joseph Maximilian Spurk
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Prolog
    So leset die Weissagung Gennoh ’di Albahs, des mächtigen Magiers, Mitglied im Rate der Zwölf:
    Die, die sind, werden die Quelle finden. Die, die sein werden, werden die Quelle zurückholen und Die, die waren, werden die Quelle verwahren an dem ihr angestammten Platz.
    Mit der Quelle wird auch das Böse verwahrt, das die Quelle missbraucht. Das Böse erlangt Macht durch die Quelle, aber ohne sie kann es auch nicht besiegt werden.
    Daher wird das Böse gefangen genommen. Der Köder ist die Quelle. Der Kerker das Mächtigste, das es gibt; dem selbst das Böse nicht entkommen kann: Der Kerker ist die Zeit!
    * * *
    Die Schriftrolle knisterte in dem kaum merklichen Wohlklang oft gelesenen Papiers, als er sie in seinen Schoß sinken ließ. Unzählige Male hatte er diese Zeilen wieder und wieder gelesen. Er wusste nicht genau, was sie bedeuteten, aber er war felsenfest davon überzeugt, dass er in einer sehr engen Weise mit dieser Weissagung verbunden war.
    Er schüttelte den Kopf. Als er hierherkam, konnte er noch nicht einmal lesen. Er hatte es sich selbst beigebracht. Früher hatte er nicht geglaubt, dass so etwas möglich sei. Und doch lagen hier Dokumente in verschiedenen Sprachen und er konnte sie lesen – und daraus lernen.
    Er blickte auf. Seine strahlendblauen Augen ketteten mit der unnachgiebigen Härte geschmiedeten Stahls, die Festung des Feindes an ihren Platz. An der entfernten Steilwand ragte sie düster in den Himmel empor. Er saß am Höhleneingang. Hinter ihm beleuchtete das matte Schimmern des Portals die aufgeräumte Einrichtung. Er spürte die Wärme des Schimmers in seinem Nacken, während seine eigene Kälte die Veste in eisige Verachtung hüllte. Dort war er, der Feind – Grinn ’te Kall – und fühlte sich sicher – noch!
    Den Namen seines Feindes erfuhr er damals, als die beiden glorreichen Helden den alten Fürsten zur Strecke brachten. Ihre Namen kannte er leider nicht. Sie hatten die Garde aufgemischt und das Unmögliche möglich gemacht. Sie hatten die Menschen von ihrer Knechtschaft befreit; nur, um sie einer neuen zuzuführen. Der jetzige Fürst kam aus dem nichts – und er tötete die beiden mit der Hilfe des Rings.
    Der Ring! Er brauchte den Ring! Er musste ihn zurückholen, unbedingt! Und er würde es schaffen, das hatte er sich geschworen. Eine Armee würde er aufbauen und gegen Grinn ’te Kall zu Felde ziehen.
    Keine zehn Jahre waren seit dem traurigen Tage vergangen, als er Zeuge des Todes der beiden Helden wurde. Ihm kam es wie Äonen vor. Damals war er noch ein Kind. Nachdem er sie hatte sterben sehen, rannte er weg so schnell er konnte. Er wollte nur noch weg, an einen sicheren, geborgenen Ort. Zu seiner Mutter, seinem Vater – seine Eltern; sie waren da schon lange tot. Er wusste das natürlich, aber das Feuer, das in der kleinen Kehle des Jungen von damals brannte, sehnte sich nach dem Schoß der Mutter. Wie viele kalte Tränen hatte er auf dem Dach der Festung geweint. Herausgepresst aus den Nadelstichen des eisigen Windes. Ohne Wärme. Ohne Liebe. Ohne Zuversicht. Seine Mutter – wie gern wäre er jetzt bei ihr. Könnte er ihren Tod doch nur ungeschehen machen.
    Die Eiskristalle eines Schauders rollten seinen Rücken herab. Er schüttelte sich. Er blickte zum Himmel. Die Sonne war nicht zu sehen; der Himmel war verdunkelt. Wie schwarze Regenwolken ballte sich die Undurchdringlichkeit zusammen. Regenwolken! Ein wahrer Hohn. Seit Wochen hatte es nicht geregnet. Das Land glich dem dürren Ast eines abgestorbenen Baumes. Der Bach neben der Höhle war ein erbärmliches Rinnsal. Dabei brauchte er doch Wasser so dringend. Nicht zum Trinken, nicht für sein Leben, dafür hatte er noch genug; für die Leben! Um sie zu wecken!
    Ein Schatten löste sich neben dem Portal und schlich sich von hinten an ihn heran. Das Portal – bislang hatte er nicht gewagt, hindurchzuschreiten. Als er weggelaufen war, an jenem Tag, trugen ihn seine kleinen Füße direkt hierher. Niemand hatte ihn damals aufgehalten und auch niemand den Weg gewiesen. Er wusste nicht, warum er gerade hierhergekommen war. Er kannte die Höhle vorher nicht. Aber Zufall als Grund zu nennen, widersetzte sich ihm.
    Die Höhle war ein großes Durcheinander gewesen, als er sie fand. Die tote Frau in den Trümmern hatte er unter einem Steinhaufen, oberhalb der Höhle beigesetzt. Etwas Feierliches, Würdiges lag auf ihren toten Zügen. Er würde ihre Ruhe nicht stören.
    Der Schatten pirschte sich weiter vor.
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