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Sechs Brüder wie wir

Sechs Brüder wie wir

Titel: Sechs Brüder wie wir
Autoren: Ravensburger
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unseren Spaß zu haben, fingen wir an, mit dem Fußball auf sie zu schießen, und dann geriet alles etwas aus dem Ruder. Irgendwann trat der große Cyril so heftig gegen den Ball, dass eine Fensterscheibe unseres Klassenzimmers zu Bruch ging. Herr Martel stürzte mit seiner Pfeife auf den Hof heraus und keiner wollte verraten, wer der Schuldige war. Da zeigte Nathalie, die Tochter von Herrn Martel, mit dem Finger auf Cyril, und wir Jungs mussten zur Strafe hundert Sätze schreiben, während die Mädchen hinter den Fenstern standen und kicherten.
    „So ist das immer mit den Mädchen“, sagte François Archampaut. „Verstehst du jetzt, warum ich nie eine Schwester wollte?“
    Als ich ihn gefragt habe, was er denn in den Ferien machen würde, hat er die geheimnisvolle Miene aufgesetzt, die Jean Eins immer so aufregt.
    „Tut mir leid“, sagte er. „Geheimmission. Besser, du weißt nichts davon. Ich möchte nicht, dass man dich foltert, damit du denen erzählst, wo ich bin.“
    Weil François Archampaut sich mit Telepathie beschäftigt, war es nicht weiter schlimm, dass ich ihm noch keine Adresse in Toulon sagen konnte. Wir haben uns am letzten Schultag geschworen, dass wir uns Geheimbotschaften schicken würden und dass wir bis zum Tod Freunde bleiben wollten. Dann stieg er in den Citroën DS 19 seines Vaters ein, der Chauffeur gab Gas, François Archampaut winkte mir noch kurz zu und verschwand. Ich stand mit meinem großen Schulranzen allein auf dem Bürgersteig und hatte einen Kloß im Hals.
    Um mich herum lachten alle und warfen ihre Hefte in die Luft. Es war der Beginn der Sommerferien, aber das erste Mal war mir dabei zum Weinen zumute.
    Wegen des Umzugs würden wir erst im August in Urlaub fahren, und zwar in das neue Ferienhaus, das Opa Jean und Oma Jeannette auf dem Land gekauft haben.
    Jean Eins, der die ganze Zeit nur rumstänkerte, sagte, dass es keinen Spaß machte, zu Hause zu bleiben, wenn alle Freunde weggefahren waren. Zum Glück fand wenigstens die Tour de France statt: Wir spielten den ganzen Nachmittag mit unseren Radrennfahrerfiguren und hörten dazu die Etappenberichte aus dem Radio. Weil Jean Eins immer der Fahrer im gelben Trikot sein wollte, kriegten wir uns dauernd in die Haare, und es nahm dann ein böses Ende, weil Mamas Nerven wegen des Umzugs etwas blank lagen.
    Sie hatte bereits angefangen, alle Sachen, die wir vor unserem Aufbruch nicht mehr brauchten, in große Kisten zu packen: die muffeligen Wollfäustlinge der Fougasse-Cousins, unsere Skihosen, unsere Wollsocken und die dicken Blazer, die wir im Winter immer anhaben, wenn wir in die Kirche gehen.
    Seit einer der Umzugsmänner eine Vase zerbrochen hatte, als er die Bücherregale ausmessen wollte, hatte Mama beschlossen, die Vorbereitungen selbst in die Hand zu nehmen. Deshalb stand jetzt im Wohnzimmer auf der einen Seite das Gepäck mit unseren Sachen für die Sommerferien, und auf der anderen Seite stapelten sich die Umzugskartons, in denen sie sorgfältig alle zerbrechlichen Gegenstände in Zeitungspapier eingewickelt hatte. Auf den Kartons klebten Etiketten mit der Aufschrift „Zerbrechlich“, und außerdem hatte sie darauf mit Filzstift in Großbuchstaben geschrieben, was sich in ihnen befand.
    „Ich schwöre auf meine Listen“, sagte Mama, die sehr auf Ordnung hält, in letzter Zeit häufig. „Nichts geht über ein wenig Organisation.“
    „Schatz“, sagte Papa jeden Morgen, wenn er die leeren Schubladen aufzog, „du hast nicht zufällig meine gestreifte Krawatte gesehen? Oder meine Rasierklingen? Und seltsamerweise finde ich meinen zweiten Schuh nicht mehr.“
    Weil er schnell merkte, dass Mama das gar nicht lustig fand, ging er dann mit einem braunen und einem schwarzen Schuh ins Krankenhaus zur Arbeit und band sich die gestreifte Wollkrawatte um, die er hasst. Frau Vuillermoz hatte sie ihm aus der restlichen Wolle eines Strampelanzugs für Jean Sechs gestrickt.
    Herr und Frau Vuillermoz sind Freunde unserer Eltern. Als Frau Vuillermoz, die sehr hilfsbereit ist, von unserem Umzug hörte, schlug sie Mama vor, für eine Weile bei uns zu wohnen, um ihr zu helfen.
    „Das ist sehr liebenswürdig von ihr“, sagte Mama, „aber wenn sie durch diese Tür kommt, garantiere ich für nichts mehr.“
    Am schlimmsten war es, als wir unsere Zimmer ausräumen mussten, um alle unsere Besitztümer in den Kartons zu verstauen.
    Jean Eins und ich hatten kaum mit unserem gemeinsamen großen Schreibtisch angefangen, da lag der Boden
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