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Sechs Brüder wie wir

Sechs Brüder wie wir

Titel: Sechs Brüder wie wir
Autoren: Ravensburger
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bereits voll: beschädigte Spieleschachteln, die Briefmarkensammlung von Jean Eins, meine sämtlichen Werbeschlüsselanhänger, angekaute Füllerpatronen, ein eingedellter Fußball, eineinhalb Paar Rollschuhe, eine Fahrradpumpe, mehrere Schulhefte der Marke Clairefontaine, meine geheime Schatztruhe, der Rest von einem vergammelten Schinkensandwich, ein Zauberkasten, die Origami-Anleitung von Jean Drei, Flugzeugträgerteile, ein Paar zusammengerollte dreckige Socken, Mikadostäbe und ein uralter Plüschhund, so platt gedrückt, dass er kaum mehr zu erkennen war …
    Mitten in diesem Durcheinander fand Papa den Schraubenzieher, nach dem er verzweifelt gesucht hatte, um das Stockbett abzubauen. Er murmelte etwas von Erziehungsheim vor sich hin, dann verließ er das Zimmer und wir hörten ihn in der Küche herumwerkeln.
    „Wird das hier ein Umzug oder wollt ihr einen Trödelladen aufmachen?“, sagte Mama. „Kommt gar nicht infrage, dass wir diesen ganzen Krempel mitschleppen!“
    Das Problem war dann aber, dass Jean Eins nur meine Sachen wegschmeißen wollte. Deshalb haben wir sie uns schließlich gegenseitig ins Gesicht geschleudert.
    „In den Müll mit deinem von Motten zerfressenen Plüschtier!“
    „Nur noch Schrott, dein Flugzeugträger!“
    „Du wirst schon sehen, was ich mit deinem Monopoly anstelle!“
    „Wenn du meine Schatztruhe anrührst, bist du ein toter Mann!“
    „Soll ich dir mit der Fahrradpumpe eins auf die Rübe geben?“
    „Mama, die beiden Großen prügeln sich!“, petzte Jean Vier.
    „Sag es uns ins Gesicht, wenn du keine Memme bist!“, forderte Jean Eins ihn auf.
    „Immer auf die Kleinen!“, erwiderte Jean Drei, der ebenfalls aufkreuzte.
    „Tut mir ja fast leid um euch“, feixte Jean Eins, „aber ihr habt es nicht anders gewollt.“
    Ich machte schnell die Zimmertür zu, damit wir unsere Ruhe hatten, und dann haben wir angefangen, uns wie die Wilden zu kloppen.
    Irgendwann rief Mama aus dem Flur: „Und wie geht’s bei euch, ihr Großen? Kommt ihr voran?“
    „Wir sind am Aufräumen!“, brüllten wir.
    Und dann ging die Rauferei munter weiter.
    Es war dann noch ein supertoller Juli.
    Überall standen Kisten herum. Man hatte das Gefühl, in einer Wohnung zu hausen, die gerade von Dieben ausgeräubert wurde. Weil die Teppiche zu langen Schlangen aufgerollt waren, konnte man in Strümpfen über das Parkett rutschen oder Murmeln über den Boden rollen lassen. In den Zimmern hallten alle Geräusche laut, und sobald Mama uns den Rücken zukehrte, spielten wir Bergsteiger und kletterten auf die Kisten mit der Aufschrift „Zerbrechlich“, in denen das Glas und Porzellan eingepackt war.
    Und dann, es war genau eine Woche vor dem Umzug, kam Papa eines Abends mit einem großen quadratischen Karton nach Hause, den er mitten im Wohnzimmer abstellte.
    „Ich dachte, wir hatten vor, die Wohnung auszuräumen, nicht neue Sachen herbeizuschleppen“, konnte Mama sich nicht verkneifen.
    „Keine Sorge, Schatz“, sagte Papa. „Er ist nur ausgeliehen.“
    „Er ist nur ausgeliehen?“, wiederholte Mama.
    „Ich weiß, dass es gegen alle unsere Erziehungsprinzipien ist, Schatz“, sagte Papa mit einem Hüsteln. „Aber man muss auch mit der Zeit gehen, wenn die Ereignisse es erfordern …“
    „Wenn die Ereignisse es erfordern?“, wiederholte Mama. „Welche Ereignisse?“
    Ohne zu antworten, öffnete Papa den Karton und hob mit allergrößter Vorsicht etwas heraus, das …
    „Ein Fernseher!“, stieß Jean Eins hervor und fiel auf die Knie.
    Ich traute meinen Augen nicht. Es war tatsächlich ein Fernseher! Ein kleiner bauchiger Apparat, mit einer doppelten, ausziehbaren Antenne, genau wie bei Herrn Bertholin im Hochhaus gegenüber.

    „Das ist der schönste Tag meines Lebens!“, murmelte Jean Eins ergriffen. „Wir können endlich Rin Tin Tin anschauen!“
    „ Das Sandmännchen !“, rief Jean Vier.
    „ Manege frei !“, rief Jean Drei.
    „Moment mal“, sagte Papa. „Ich habe diesen Fernseher nicht ausgeliehen, damit ihr durch stumpfsinnige Sendungen noch dümmer werdet …“
    „Aber warum dann?“, fragte Jean Eins unendlich enttäuscht.
    „Damit ihr einem Ereignis beiwohnen könnt, mein Junge, von dem bald in euren Geschichtsbüchern zu lesen sein wird!“
    „Wird Jean Eins für mich abtrocknen?“, fragte Jean Drei neugierig.
    „Nein, noch viel unglaublicher!“, sagte Papa. „Heute Nacht könnt ihr in einer Direktübertragung sehen, wie der erste Mensch auf dem Mond spazieren
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