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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Ekman
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Stampferwaden gab sie ihm das Aussehen eines Unteroffiziers in der amerikanischen Zone.
    Herman und ich waren nicht ineinander verliebt, es war eine Freundschaft. Wir lasen die gleichen Bücher, brannten Stearinkerzen ab und tranken Tee. Ziemlich bald schliefen wir auch miteinander. In seiner Heimatstadt hatte er eine Verlobte, das wusste ich von Anfang an.
    Als Liebespaar waren wir ungezwungen, vielleicht gerade weil wir nicht verliebt waren. Wir gaben einander Anleitungen und korrigierten hier und dort eine Stellung. Trotz unseres sachlichen Verhältnisses gerieten wir oft in einen lang anhaltenden Taumel des Genusses. Unsere Herzen klopften, Herman tropfte der Schweiß von der zottigen Brust, die Geschlechtsorgane wurden heiß und brannten lustvoll, Muskeln zogen sich außerhalb der Kontrolle unseres Willens zusammen, zuckten oder zitterten. Hinterher machten wir Witze darüber. Diese heftigen Augenblicke hinterließen aber auch etwas anderes. Manchmal überkam mich das starke Gefühl, Hermans Seele oder seinem wahren Ich sehr nahe zu sein. Oder Herman als Kind.
    Er entdeckte meinen Karteikasten. Aus purer Neugier öffnete er ihn, als ich Kaffeegebäck einkaufen war. Bei meiner Rückkehr hatte er den Kasten auf dem Schoß und blätterte darin. Es ließ sich nicht sagen, wie viele Karten er gelesen hatte.
    »Sammelst du Aphorismen und dergleichen?«, fragte er. Ihm war nicht klar, dass er eine Grenze überschritten hatte.
    Ich antwortete nur mit Mühe, denn mein Mund war trocken. »Stimmt«, sagte ich.
    Dann nahm ich ihm den Kasten weg und stellte ihn auf die Kommode neben den Messingleuchter mit dem schwerem Fuß. Als ich den sah und meinen Blick danach zu Hermans Hinterkopf wandern ließ, dachte ich mir, dass es lange dauern würde, Herman, stark wie er war, damit zu erschlagen.
    »Obwohl es auch irgendwelche Beschreibungen waren«, sagte er. »Schreibst du Zitate aus Büchern heraus?«
    »Ja.«
    Ich schloss den Kasten weg und hatte ihn von da an immer weggeschlossen, wenn Herman mich besuchte.
    Eines Abends schlug er mir vor, eine Kurzgeschichte zu schreiben und sie an die Zeitschrift All Världens Berättare zu schicken. Mir war klar, dass diese Idee mit den Karteikarten zusammenhing. Er hatte keineswegs geglaubt, dass es Zitate waren.
    »Du hast doch Talent«, sagte er.
    Dieses Wort erfüllte mich mit heller Wut, doch ich schwieg. Mit von Plundergebäck vollem Mund begann er eine Geschichte zu skizzieren und war davon so begeistert, dass er gegen den elektrischen Heizkörper trat. Der geriet zu nahe an die Kommode, und als wir später am Abend zusammen im Bett lagen, sengte er an der Stirnseite der Kommode einen großen schwarzbraunen Fleck ins Holz.
    Ich musste natürlich für den Schaden aufkommen, und das war teuer. Die Vermieterin rächte sich auf diese Weise an uns, denn sie hatte entdeckt, was wir auf ihrer Ottomane trieben, wenn sie aus dem Haus ging, indem sie ganz leise zurückgekehrt war. Einmal sahen wir, wie sich im Luftzug der Vorhang über der Tür zum Flur bewegte, und wussten, dass sie ihn geöffnet hatte, um uns besser belauschen zu können. Da schalteten wir das Radio ein und ließen sie einen Vortrag über Rentierzucht hören, während wir uns zu einem viel zu schnellen Orgasmus hetzten.
    Nach einiger Zeit kündigte mir die Vermieterin, und ich ließ mich seelenruhig darauf ein. Das war aber gar nicht ihre Absicht. Sie hatte nur diesem Verhältnis ein Ende setzen wollen. Es wäre schwierig geworden, das längliche, zugige Zimmer, die einstige Dienstmädchenkammer, wieder zu vermieten. Das Haus lag in der Svartbäcksgatan und hatte ein Plumpsklo im Treppenaufgang. Der Abort grenzte an mein Zimmer, und im Flur roch es schwach danach. Ich durfte bleiben. Die Vermieterin traute sich nicht mal, Herman das Haus zu verbieten.
    Die Geschichte, die Herman bei Tee und Plundergebäck zusammenphantasiert hatte, handelte von einem Pfarrer, der Konfirmanden zum Sommerunterricht empfing. Unter seinen Eleven war ein schlagfertiger und spöttischer junger Mann. Es stellte sich heraus, dass es der Teufel war.
    In Hermans Erzählung war der junge Teufel nicht viel schlimmer als Karsten Kirsewetter in Olle Hedbergs Werk, und ich konnte das Vorbild erahnen: glattes schwarzes Haar, lebhafte dunkle Augen, leicht erregbares Geschlechtsorgan. Ich machte ihn weißblond, verstärkte seine spöttische Ader, bis sie leicht schmierig war, und schrieb dann das Manuskript von meinem Spiralblock auf der Underwood der
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