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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise
Autoren: Berte Bratt
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nicht gerade das Gescheiteste, was man tun kann, eine Treppe runterzufallen, wenn man im neunten Monat ist. Und das Ende vom Liede war denn auch, daß vor einer Stunde ein kleines Mädchen angekommen ist, winzig klein, sag’ ich dir. Es ist etwa drei Wochen zu früh geboren. Der Kapitän soll es jetzt gleich taufen, und du sollst Pate stehen, Eirin!“
    Eirin hörte mit offenem Mund zu. „Warst du - war es -, hattest du denn Hilfe?“
    „Aber ja, eine beherzte Frau aus Baisfjord! Sie hat selbst sechs zu Hause und war so tüchtig, daß es ein Vergnügen war. Du mußt schnell aufstehen, Eirin! Frau Taraldsen, die junge Mutter also, ist in die Krankenkajüte gebracht worden, und dort soll die Kindtaufe stattfinden. Kannst du in zwanzig Minuten fertig sein?“
    „In fünf! Mach schnell, daß du rauskommst!“ Unvergeßlich blieb Eirin das Taufzeremoniell in der Krankenkajüte. Auf dem schmalen Bett die blasse, aber glückliche junge Mutter. Auf einem Hocker neben ihr war ein kleiner Kasten festgeschnallt, der mit Hilfe von Servietten, Handtüchern, Kissen und einer kleinen Wolldecke als Bettchen zurechtgemacht war, und mitten darin war undeutlich ein kleines, runzeliges rosenrotes Frätzchen zu erkennen. Die Mutter hatte darauf bestanden, daß das Kind sofort getauft würde. Es war ja so klein und zart!
    Da standen nun Halfdan und Eirin. Selbst Tante Bertha hatte aus der Falle kriechen müssen, um dabeizusein. Die Frau aus Baisfjord hielt das Kind. Als fünfter Pate wurde Fredrik herbeigerufen. Eirin kam plötzlich zum Bewußtsein, daß er gar nicht hierherpaßte. Er war der einzige, der verlegen und unbeteiligt dreinschaute.
    Dann folgte die einfache Taufhandlung. Eirin wischte das Köpfchen ab, und auf einmal fühlte sie einen Kloß im Hals. Sie bat, das Kindchen wieder in den „Babykorb“ zurücklegen zu dürfen. Es war so ein seltsames Gefühl, mit einem zwei Stunden alten Kind in den Armen dastehen zu müssen.
    Und dann hatte sie noch einen besonderen Grund, gerührt zu sein. Als der Kapitän fragte, wie das Kind heißen sollte, antwortete die Mutter kurz und ohne Zögern: Kristine. So heiße die Großmutter des Kindes, und es sei von jeher beabsichtigt gewesen, es Kristine zu nennen, wenn es ein Mädchen würde.
    „Nur Kristine oder noch mehr?“ fragte der Kapitän.
    „Ja - von einem weiteren Namen haben wir nie gesprochen.“ Die junge Mutter richtete plötzlich den Blick auf Halfdan.
    „Wäre es ein Junge gewesen, dann-“ Ihre Augen wanderten zu Eirin hinüber. „Wie heißen Sie, Fräulein?“
    „Eirin - Eirin Louise Johnsen.“
    „Eirin?“ Es war, als ob Frau Taraldsen dem Namen lauschte. „Wie hübsch das klingt. Den Namen habe ich noch nie gehört.“ Sie wandte den Kopf und sah den Kapitän an.
    „Eirin Kristine soll es heißen!“
    In der Krankenkajüte herrschten Frieden und Glück.
    Mutter und Kind schliefen. Keines wurde wach, als Halfdan und Eirin hereinschlichen. Eirin beugte sich über das Kind. Mit behutsamen Händen befestigte sie ein dünnes goldenes Kettchen um Eirin Kristines Hals. An der Kette hing ein kleines goldenes Herz, auf dem der Name „Eirin“ eingraviert war.
    Eirin hatte es selbst als Taufgeschenk bekommen, und es hatte sie durch ihre ganze Kindheit und Jugend als eine Art Amulett begleitet.
    „Es sollte mir Glück bringen“, flüsterte sie. „Immer habe ich mir eingebildet, wenn ich es ständig tragen würde, müßte das Glück zu mir kommen.“ Sie drehte sich zu Halfdan um und nahm seine Hand. „Und jetzt hat es seine Mission bei mir erfüllt. Es hat mir das Glück gebracht; nun mag es der kleinen Eirin Kristine als Talisman dienen.“ Halfdan nickte zustimmend.
    „Mein kleines Mädchen!“ sagte er leise und strich ihr liebevoll über das Haar.
    Eirin saß in einem Liegestuhl an Deck. Es war kalt, aber klares, schönes Wetter. Der Dampfer schlingerte ein wenig, gerade genug, daß Tante Bertha sich wieder langlegen mußte. Halfdan war ins Bett gekrochen, um den versäumten Nachtschlaf nachzuholen.
    „Du hast heute nacht eine gute Arbeit geleistet, vergiß das nicht!“ lächelte Fredrik Branstad, der wieder ganz der alte war. Kaum war die Kindtaufe vorüber und er aus der Krankenkajüte entlassen, da funkelten seine Augen wieder so lausbubenhaft wie vorher; auch seine Haltung hatte sich wieder gelockert.
    „Ja, dann gehe ich rein“, lächelte Halfdan. „Ich fühle mich offen gestanden auch ein bißchen mitgenommen. Du mußt dich Eirin widmen, mein
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