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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise
Autoren: Berte Bratt
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Eirin. Sie zwinkerte ihm munter zu. „Sie sehen aus wie - wie“, sie suchte nach einem treffenden Vergleich.
    „Na - wie was?“
    „Wie ein reicher Schiffsreedersohn - glaube ich.“
    Fredrik lachte laut.
    „Und Halfdan?“
    O ja, er sieht aus wie ein Arzt. Er könnte gar nichts anderes sein! Fredrik wollte von neuem aus der Flasche einschenken. Sie war leer. Ohne zu fragen, hielt er das Servierfräulein an und bestellte. Gleich darauf stand ein großer Sektkühler auf ihrem Tisch, aus dem ein goldener Flaschenhals hervorsah.
    „Ich glaube, Sie sind verrückt“, sagte Eirin.
    „Ich sähe ja einem reichen Schiffsreedersohn ähnlich, fanden Sie. Da muß ich mich wohl auch so benehmen! Prost, Eirin!“
    Der Tonfall und die Art, wie er ihren Vornamen aussprach, ließen Eirin aufhorchen. Plötzlich mußte sie an den Abend denken, als sie auf dem Atelierfest gewesen war. Storm Torgersen fiel ihr ein, seine brennenden Augen, die flüsternde, drängende Stimme. Und ihre Gedanken machten einen Sprung: Wann hatte sie das letzte
    Mal Sekt getrunken? Das war auf Flöyen gewesen, zusammen mit Halfdan vor wenigen Tagen erst...
    Es schien, als ob der eiskalte, perlende Champagner, statt ihr den Kopf zu verdrehen, sie immer nüchterner machte. Saß sie etwa da und ließ sich von einem Paar strahlender blauer Augen und einer weichen, warmen Stimme betören, während der, den sie liebte, den sie heiraten wollte, gegangen war, um einem armen Menschenkinde zu helfen? Sie rief sich selbst energisch zur Ordnung und schämte sich. Lieber, guter, pflichttreuer Halfdan.
    Fredrik schaute sie an und hob das Glas.
    „Wohlsein! Wollen wir tanzen?“
    Einer der Passagiere hatte einen Plattenspieler geholt, und jetzt klang ein schmachtender argentinischer Tango durch den Salon.
    „Ich bin müde“, versuchte Eirin sich zu entschuldigen.
    „Nur diesen letzten Tanz noch!“
    Nein, wer konnte diesen bittenden Augen widerstehen?
    „Gut also - aber nur diesen einen“, murmelte Eirin. Und dann glitt sie mit halbgeschlossenen Augen durch den Raum. Eirin tanzte leidenschaftlich gern. Und dieser Tango, dieser schöne Mann, das dämmrige Licht und die sonderbare Stimmung, das Bewußtsein, auf See zu sein, hoch im Norden, zu wissen, daß jede Umdrehung der Schiffsschraube sie der Dunkelheit und Einsamkeit näher brachte -sollte sie nicht diese letzten kurzen Augenblicke hier genießen dürfen, ehe sie sich dem schwarzen Winter in die Arme warf? - Sie fühlte, wie Fredrik seinen Arm fester um sie legte. Wie dieser Mann tanzen konnte!
    Als die Musik verstummte, standen sie voreinander und sahen sich mit verwunderten Augen an, als seien sie eben erwacht. Er hielt immer noch den Arm um sie gelegt.
    „Eirin“, flüsterte er. „Eirin, weshalb habe ich dich nicht früher getroffen -?“
    Er beugte sich nieder und küßte ihre Hand.
    Da riß sie sich los und rannte weg. Vor der Kabinentür blieb sie einen Augenblick stehen. Sie mußte verschnaufen und sich zusammennehmen, ehe sie zu Tante Bertha hineinging.
    „Nun, mein Kind? War es nett?“ Tante Bertha blinzelte sie schlaftrunken an.
    „Ja, sehr gemütlich. Aber ich bin müde. Jetzt freue ich mich aufs Bett.“
    „Ich bin auch so schläfrig. Gute Nacht, Kindchen!“
    „Gute Nacht, Tante Bertha!“
    Eirin lag noch stundenlang wach und starrte in die Dunkelheit. Sie lag auf dem Rücken mit den Händen unterm Nacken. Ihr Herz pochte, und die verrücktesten Gedanken tobten in ihrem Kopf herum.
    Das Leben war wirklich nicht immer leicht.
    Nur gut, daß Fredrik morgen von Bord ging! Aber so ganz recht war es ihr auch wieder nicht.

3
    Eirin erwachte von einem Klopfen an der Tür. Sie setzte sich im Bett hoch.
    „Herein!“
    Es war Halfdan - ein stoppliger, etwas rotäugiger, übernächtigter Halfdan.
    „Guten Morgen, ihr Siebenschläfer! Wißt ihr, daß es neun Uhr ist?“
    Tante Bertha murmelte etwas unten aus ihrem Bett. Eirin, die im oberen Bett thronte, strich Halfdan über den Kopf. „Du siehst müde aus, mein Junge. Hat es lange gedauert gestern?“
    „Ja, bis jetzt! Wir haben heute morgen einen neuen Passagier bekommen, weißt du?“‘ „Ja, ja, und ich freue mich. Denn ich dachte wirklich - nein, du verstehst natürlich nicht viel davon. Es war die junge Frau! Du hast sie doch gestern gesehen, als sie an Bord kam, nicht? Na ja, die ist die ganze Treppe runtergefallen, weißt du, und hatte sich einen Knöchel verstaucht. Das war das eine - ich habe ihn gut verbunden -, aber es ist ja
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