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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise
Autoren: Berte Bratt
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geschehen.“
    Halfdan ging zu ihr und brachte ihr Tabletten und Trost und Aufmunterung. Und wenn Eirin abends in die Kabine kam, dann hielten sie und Tantchen immer einen gemütlichen Schwatz.
    Dieser erzwungene Ruhe gab Tante Bertha Gelegenheit, über das bevorstehende Abenteuer sorgfältig nachzudenken. Die beiden jungen Leute aber fanden Zeit genug, sich zu unterhalten und allein zusammenzusein.
    Tante Bertha hatte soeben ihr Frühstück in die Kabine bekommen. Gestern war Halfdan in Maly an Land gegangen und hatte Obst und illustrierte Zeitungen besorgt und außerdem noch einen hübschen kleinen Blumenstrauß. Tante Bertha kam sich wie eine Prinzessin vor, während sie in der hellen, luftigen Kajüte lag, in der sich die Seeluft mit frischem Blumenduft und einem leisen Hauch des Parfüms mischte, das allen Sachen Eirins anhaftete. Wie Tante Bertha diesen frischen, zarten Duft liebte! „Es riecht nach Eirin“, dachte sie so oft, wenn sie Eirins Sachen aufräumte, Eirins
    Kleider nachsah oder ihre Kommodenschubladen ordnete. Ja! Sie hatte ihr kleines Mädel sicher verwöhnt, sie mußte es zugeben. Aber Eirin hatte keinen Schaden genommen. Sie war gut und bescheiden, lieb und rücksichtsvoll. Und dann war sie ja das einzige, was Tante Bertha auf der ganzen Welt hatte. Keine Mutter konnte ihr Kind mehr lieben, als sie Eirin liebte. Keine Mutter konnte zärtlicher um ihr Kind besorgt sein. Keiner Mutter konnte das künftige Glück ihres Kindes mehr am Herzen liegen als ihr.
    Darum war Tante Bertha jetzt so glücklich. Eirin hätte keinen besseren Mann bekommen können, selbst wenn Tante Bertha ihn ausgewählt hätte. Halfdan war zuverlässig und tüchtig ein prächtiger junger Mann. Und dann diese kluge Einsicht bei ihm, Eirin nicht so Hals über Kopf heiraten zu wollen. Sie sollte erst wissen, worauf sie sich eingelassen hatte. Und soviel wußte Tante Bertha jetzt schon: ein Tanz auf Rosen würde das Leben an Halfdans Seite nicht werden! Trotz ihrer großen Liebe zu Eirin war Tante Bertha vernünftig genug, ihr fürs erste ein Leben mit Schwierigkeiten und Kämpfen zu wünschen. Denn das gehört dazu, wenn ein Mensch heranreifen soll - dachte Tante Bertha. Ein Päckchen mit Sorgen, Problemen und Kämpfen hielt sie für die beste Medizin, die das Leben selbst zu vergeben hat. Wenn sich in den kommenden Monaten die große Liebe der beiden bewährte, wenn sie ihnen half, aller Widerwärtigkeiten, die ihrer warteten, Herr zu werden, dann hätten sie gewonnen, und ein reiches und glückliches Leben würde vor ihnen liegen.
    Tante Bertha legte den Kopf auf die Kissen zurück und lächelte. Sie faltete unwillkürlich die Hände. Sie war dankbar für alles.
    In der langen Dünung schaukelte das Schiff leise und weich. Tante Bertha schloß die Augen. Sie war nicht seekrank, wenn sie nur still daliegen durfte - ganz still! Noch eine Weile lauschte sie dem gleichmäßigen Stampfen der Maschine. Dann schlief sie ein.
    Der Dampfer hatte am Kai festgemacht. Eirin stand an Deck und sah zu, wie ein- und ausgeladen wurde. Sie hatte ihren Spaß an den Rufen und geschäftigen Anweisungen in dem fremden Dialekt, der hier in einem singenden nordländischen Tonfall gesprochen wurde und sich mit jeder Ladungsstelle veränderte.
    Neue Passagiere kamen an Bord. Eirin fiel eine ganz junge Frau auf, die schwerfällig und vorsichtig in die dritte Klasse hinunterstieg. Eirin lächelte. So häßlich und unförmig würde sie auch einmal werden - sie hoffte und wünschte es jedenfalls. Es lag etwas
    Rührendes über so einer jungen Frau, die ein Kind erwartete. In ihrem hübschen Gesicht stand ein feines, glückliches Lächeln. Sie freute sich sicher auf das Kind.
    Eirin hätte sich mit der jungen Frau gern ein wenig unterhalten. Diese aber verschwand in einer der großen Gemeinschaftskabinen vorn, und da rief Halfdan auch schon nach ihr.
    Er kam mit einem hochgewachsenen Herrn an, den Eirin bislang nicht gesehen hatte. Er mußte auch eben erst an Bord gekommen sein.
    Halfdan stellte ihn vor. Es war ein etwas älterer Studiengenosse. Fredrik Branstad, zweiunddreißig Jahre alt, ein heller und energischer Kopf, wollte sich als Augenarzt spezialisieren.
    Eirin fiel es schwer, ihn nicht anzustarren. Der Mann war ausgesprochen schön. Etwas Strahlendes ging von ihm aus. Er war braun gebrannt, hatte blaue Augen und dichtes dunkelblondes Haar. Wenn er sprach oder lachte, blitzten zwei Reihen blendendweißer Zähne auf.
    Der Dampfer legte ab. Eirin
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