Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwerter-Zylus 01 - Schwerter gegen den Tod

Schwerter-Zylus 01 - Schwerter gegen den Tod

Titel: Schwerter-Zylus 01 - Schwerter gegen den Tod
Autoren: Fritz Leiber
Vom Netzwerk:
kenne ich alle Abgründe der Angst. Du kennst sie nicht. Oder hast du jahrelang mit diesem Heulen allein gelebt und seine Bedeutung erkannt? Ich habe es.
    Die Angst ist mir angeboren. Sie steckte meiner Mutter in den Knochen. Und sie lag im Blute meines Vaters und meiner Brüder. Unser Heim und unser Volk waren ein Hort des Zaubers und der Einsamkeit. Als Kind haßten und fürchteten mich alle – sogar die Sklaven und die großen Hunde, die mich anknurrten und nach mir schnappten.
    Doch meine Ängste waren noch größer, denn starben die anderen nicht einer nach dem anderen, ohne daß ein Verdacht auf mich fiel bis ganz zuletzt? Ich wußte, daß ich gegen viele stand, und ich ging kein Risiko ein. Als es begann, dachte ich immer, ich wäre der nächste, der an der Reihe war!« Er lachte schrill. »Sie hielten mich für klein und schwach und blöde. Doch starben meine Brüder nicht vor mir – scheinbar von eigener Hand erwürgt? Wurde meine Mutter nicht krank und siechte dahin? Stieß mein Vater nicht einen gewaltigen Schrei aus und sprang von der Turmspitze?
    Die Hunde waren die letzten. Sie haßten mich am meisten – sogar noch mehr, als mein Vater mich gehaßt hatte – und der kleinste des Rudels hätte mir mühelos den Hals durchbeißen können. Sie waren hungrig, weil da niemand mehr war, der sie füttern konnte. Doch ich lockte sie in den tiefen Keller, indem ich so tat, als wäre ich auf der Flucht, und als sie alle unten waren, schlüpfte ich hinaus und verriegelte die Tür.
    Noch manche Nacht bellten und heulten sie mich an, doch ich wußte, ich war in Sicherheit. Langsam wurde das Bellen leiser; die Tiere brachten sich gegenseitig um, doch die Überlebenden gewannen neue Kräfte aus den Körpern der anderen. Es dauerte sehr lange. Schließlich war nur eine einzige dünne Stimme übriggeblieben, die rachedurstig zu mir heraufheulte. Jeden Abend legte ich mich schlafen mit dem Gedanken: ›Morgen ist Ruhe.‹ Doch früh wurde ich wieder durch den Schrei geweckt. Dann überwand ich mich, eine Fackel zu nehmen, nach unten zu gehen und durch ein Fensterchen in der Kellertür zu starren. Doch obwohl ich eine lange Zeit hindurchschaute, nahm ich keine Bewegung wahr, allenfalls ein paar zuckende Schatten, und ansonsten nur weiße Knochen und Hautfetzen. Und ich redete mir ein, der Lärm würde bald aufhören.«
    Die Lippen des alten Mannes verzogen sich zu einem mitleidsvollen, bedrückten Lächeln, das dem Mausling einen Schauder über den Rücken jagte.
    »Doch das Heulen lebte weiter, und nach langer Zeit begann es wieder lauter zu werden. Da wußte ich, daß all meine Listen vergeblich gewesen waren. Ich hatte ihre Körper getötet, doch nicht ihre Geister, und bald hatten sie Kraft genug gesammelt, um heraufzusteigen und mich umzubringen, wie es stets ihre Absicht gewesen war.
    So studierte ich eingehend die Zauberbücher meines Vaters und versuchte, die Gespenster meiner Feinde gänzlich zu vernichten oder sie an ferne Orte zu verbannen, von wo sie nicht mehr an mich herankonnten. Eine Zeitlang schien das auch zu wirken, doch die Waagschale neigte sich wieder, und sie begannen die Oberhand zu gewinnen. Immer näher kamen sie, und manchmal glaubte ich die Stimmen meines Vaters und meiner Brüder zu hören, kaum unterscheidbar im schrillen Heulen.
    Es geschah in einer Nacht, da sie offenbar sehr nahe waren, daß ein erschöpfter Reisender in den Turm gestolpert kam. Er hatte einen seltsamen Ausdruck in den Augen, und ich dankte dem wohltätigen Gott, der ihn an meine Tür geschickt hatte. Ich wußte sofort, was zu tun war. Ich gab ihm zu essen und zu trinken, und in sein Getränk mischte ich eine Flüssigkeit, die den Schlaf herbeiführte und seinen Geist aus dem Körper vertrieb.
    Sie mußten ihn sofort gefangen und zerfetzt haben, denn gleich darauf begann der Mann zu bluten und starb. Doch das befriedigte sie irgendwie, denn das Heulen entfernte sich ein gutes Stück, und es dauerte lange, bis es wieder heranzukriechen begann. Danach hatten die Götter noch oft ein Einsehen mit mir und schickten mir immer einen Gast, ehe der Laut wieder zu nahe kam. Ich gewöhnte mir auch an, die Betäubten zu bandagieren, damit sie länger hielten und ihr Tod die Heulenden noch mehr befriedigte.«
    Der alte Mann hielt inne, schüttelte den Kopf und machte ein Schnalzgeräusch mit der Zunge.
    »Inzwischen beunruhigt mich aber«, fuhr er fort, »daß sie gieriger geworden sind oder meine List vielleicht durchschaut haben.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher