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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter
Autoren: Bruce Sterling
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entdeckt«, meinte Dr. Kindscher, strahlend vor Genugtuung. »Wirklich sehr ungewöhnlich!«
    »Worum handelt es sich?«
    »Um einen neuen Typ von Mucopolysaccharidose auf Chromosom 7-Q-22.«
    »Könnte ich das verständlicher haben? Geben Sie mir eine Zusammenfassung«, krächzte Alex. »Sagen Sie mir, was dabei rausgekommen ist.«
    »Nun, seit Ihrer Geburt blockiert der genetische Defekt, an dem Sie leiden, zeitweise das ordentliche Funktionieren Ihrer Lungenzellen, was die Absonderung von Flüssigkeiten betrifft. Ein sehr seltenes Syndrom. Auf der ganzen Welt sind nur vier solche Fälle bekannt. Einer in der Schweiz - ich finde, das war ein glücklicher Zufall - und zwei in Kalifornien. Sie sind der erste bekannte Fall in Texas.«
    Alex blickte den Arzt an. Dann seinen Vater. Dann wieder den Arzt. Diesmal war es ernst. Diesmal fehlten die üblichen Rückversicherungen, das medizinische Kauderwelsch und die alternativen Prognosen. Sie glaubten wirklich, sie hätten die Ursache gefunden. Sie hatten sie gefunden. Sie hatten sie. Diesmal hatten sie den wahren Grund seiner Krankheit entdeckt.
    »Warum?« krächzte er.
    »Eine mutagene Schädigung der Eizelle«, sagte Dr. Kindscher. »Das kommt nur äußerst selten vor, aber bei allen bislang diagnostizierten Fällen war die Mutter einem industriellen Lösungsmittel ausgesetzt, einem ganz speziellen industriellen Lösungsmittel, das inzwischen nicht mehr verwendet wird.«
    »Chipfertigung«, sagte sein Vater. »Lange, bevor du geboren wurdest, war deine Mutter in einer Grenzfabrik in der Chipfertigung beschäftigt.«
    »Was? Das ist es also, mehr steckt nicht dahinter?«
    »Damals war sie jung«, meinte sein Vater traurig. »Wir lebten an der Grenze, ich stand gerade erst am Anfang, und wir hatten nicht viel Geld.«
    »Das ist es also, wie? Meine Mutter war in einer maquiladora -Fabrik einem Mutagen ausgesetzt. Und deshalb ging's mir die ganze Zeit über dreckig.«
    »Ja, Alex.« Dr. Kindscher nickte. Er wirkte tief gerührt.
    »Ich verstehe.«
    »Die beste Neuigkeit aber lautet, es gibt eine Behandlungsmethode.«
    »Das hätte ich wissen müssen.«
    »In den USA ist sie illegal«, sagte sein Vater. »Und viel zu fortschrittlich für eine Grenz-clínica. Aber diesmal klappt es, mein Sohn. Diesmal werden sie das Problem bei der Wurzel packen.«
    »Wir haben uns bereits an eine Klinik gewandt, und dort ist man bereit, dich aufzunehmen, Alex. Eine Genreparatur. Legal in Ägypten, im Libanon und auf Zypern.«
    »Ach…«, meinte Alex. »Hoffentlich nicht Ägypten.«
    »Nein, Zypern«, sagte sein Vater.
    »Gut, ich hab nämlich gehört, in Ägypten gäbe es einen schlimmen Staphylokokkenstamm.« Alex erhob sich und trat unter Schmerzen neben den Arzt. »Also sind Sie sich diesmal wirklich sicher?«
    »So sicher wie nur je zuvor in meiner Laufbahn. Diesmal können Sie sich darauf verlassen. Die Ursache liegt in Ihren Genen, deutlich sichtbar für jeden ausgebildeten Techniker, und nun, wo wir die genaue Position auf dem Chromosomenast ausgemacht haben, kann Ihnen das jedes beliebige Labor bestätigen. Ich habe das Ergebnis bereits zweimal bestätigen lassen!« Er strahlte. »Wir haben es endlich geschafft, Alex. Wir werden Sie heilen!«
    »Ich danke Ihnen«, sagte Alex. »Sie Arschloch.« Er schlug Dr. Kindscher ins Gesicht.
    Der Arzt taumelte und fiel hin. Er rappelte sich verblüfft hoch, hielt sich die Wange, dann machte er kehrt und rannte aus dem Büro.
    »Das wird mich eine Stange Geld kosten«, bemerkte Alex' Vater.
    »Tut mir leid«, sagte Alex. Er stützte sich zitternd auf den Tisch. »Wirklich.«
    »Ist schon gut«, sagte sein Vater, »ein Schlag ist viel zuwenig für diese Nervensäge.«
    Alex brach in Tränen aus.
    »Ich möchte die Behandlungskosten übernehmen, Alejandro. Denn jetzt weiß ich, daß es nicht deine Schuld war, mein Junge. Du hast die Krankheit schon bei der Geburt mitbekommen.«
    Alex wischte sich die Tränen ab. »Immer noch der Alte, papa«, krächzte er.
    »Ich weiß nicht, ob alles beim alten bleiben wird, wenn die Mutation beseitigt ist«, erklärte sein Vater, »aber vielleicht wirst du dich verändern. Wer weiß? Ich bin dein Vater, mein Junge, ich glaube, diese Chance, gesund zu werden, bin ich dir schuldig.« Er runzelte die Stirn. »Aber diesmal keine Dummheiten mehr! Keine Skandale mehr wie diese schändliche Geschichte in Nuevo Laredo! Alejandro, diese Leute haben Anwälte auf mich angesetzt! Du fliegst nach Zypern, und zwar auf der
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