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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter
Autoren: Bruce Sterling
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waren klein, faserig und häßlich, und die Kolben waren etwa so groß wie Bowling-Pins und auch so geformt. Sie waren fleckig und reptiliengrün.
    »Wow, die sind aber hübsch«, sagte Sylvia.
    »Möchtet ihr ein paar mitnehmen? Einen Moment.« Jane ging zu einem Schuppen am Ende des Gartens und holte einen Beutel mit Zugbandverschluß heraus. »Ihr könnt ein paar Körner haben, wenn ihr möchtet.« Sie schüttete Sylvia ein paar Maiskörner in die ausgestreckte Hand. Die verunstalteten Körner waren halb so groß wie Gewehrkugeln.
    »Danke, Jane«, meinte Sylvia überschwenglich. »Die sind megasüß, die gefallen mir wirklich.«
    »Bedien dich nur«, sagte Jane. »Auf einen lebenden Organismus gibt es schließlich kein Copyright.«
    Sylvia wickelte die Körner behutsam in ihr seidenes Taschentuch und stopfte sie sich unbewußt unter das Schenkelband ihres gestreiften Strumpfes.
    »Jane, komm doch mal einen Moment mit auf die Straße«, sagte Alex und öffnete das Tor, das zum Vorgarten führte.
    Sie folgte ihm. »Was hast du vor?«
    »Ich möchte dir meinen neuen Wagen zeigen.«
    »Okay. Prima.«
    »Ich hab ihn hinter der nächsten Straßenecke geparkt, weil ich nicht wollte, daß man ihn mit deinem Haus in Verbindung bringt.«
    »Oh.«
    Der Wagen stand noch da, wo er ihn geparkt hatte. Er hatte der Universitätspolizei eine stolze Gebühr bezahlen müssen, um auf das Gelände gelassen zu werden.
    »Ach du grüne Neune«, sagte Jane, »der sieht ja aus, als hätte man nicht mal die Geschützlafetten entfernt.«
    »Das sind Geräte zur städtischen Diebstahlabwehr. Ich hab sogar eine Lizenz dafür, ist das nicht Wahnsinn? Technisch unterhalb der Tötungsschwelle.«
    Janes Augen funkelten. »Hast du ihn schon auf Herz und Nieren geprüft?«
    »Yeah. Könnte man so sagen.«
    »Mit was für einem Interface läuft er?«
    »Mit einem megahundsgemeinen Militärinterface. deshalb wollte ich, daß du ihn eine Weile behältst.«
    »Wirklich?«
    »Ja, ich möchte, daß du den Wagen solange behältst, wie du willst. Er gehört dir, du fährst ihn. Ich würde ihn sogar überschreiben lassen, aber ich glaube, das ist keine so gute Idee, juristisch betrachtet.«
    »Ach?«
    »Ja, und ich… äh… würde damit auch nicht nach Hidalgo, Starr oder Zapa County fahren oder über die Grenze nach Reynosa, denn da könnte es heiß hergehen.«
    Sylvia zupfte ihn am Ärmel und flüsterte: »He. Wir brauchen den Wagen! Laß ihr nicht den Wagen!«
    »Schon gut, vertrau mir«, versicherte ihr Alex, »mit Autos kennt Jane sich aus, meines Wissens hat sie noch nie auch nur eine Delle in den Kotflügel gefahren.« Er lächelte.
    »Du kannst mir doch nicht einfach so einen Verfolgungswagen schenken, Alex.«
    »Klar kann ich das. Ich hab's eben getan. Wer sollte mich daran hindern? Außerdem möchte ich mal sehen, wie du eine Spritztour damit machst. Jetzt gleich. Sylvia und ich machen derweil das Essen fertig und kümmern uns um meinen Neffen, und du fährst mit diesem Schlitten zum Zauberfelsen raus und nimmst ihn mal richtig hart ran.«
    »Ich glaube, das geht nicht. Ich muß mich ums Kind kümmern.«
    »Hör mal, Jane, so geht's aber nicht. Du hast mich eben hoch und heilig versprechen lassen, über das Schicksal deines Sohnes zu wachen; jetzt mußt du ihn mir halt für ein paar Stunden anvertrauen.«
    »Also… reizen tut's mich schon. Wirklich, Alex.«
    Er beugte sich zu ihr hin und lächelte sie an. »Gib nach.«
    »Also gut!« Plötzlich umarmte sie ihn.
    Es war eine feste Umarmung. Es fühlte sich erstaunlich gut an, von der eigenen Schwester umarmt zu werden. Es war wirklich ein Geschenk, eine Schwester zu haben. Keine Ehefrau, keine Geliebte, sondern eine Frau, die eine tiefe Zuneigung für einen empfand. Ein Freund, ein guter Freund, eine mächtige Verbündete. Eine Verbündete wogegen? Gegen nichts, einfach so. Gegen den Tod, gegen das große, leere Dunkel.
    Er hauchte seiner Schwester einen Kuß aufs Ohr. »Fahr schon los, Schwester«, flüsterte er. »Fahr los!«
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