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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter
Autoren: Bruce Sterling
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bist, Alex. Du solltest mit deiner Freundin zum Essen bleiben.«
    »Es gibt Tacos«, sagte Jane.
    »Gut! Mein Lieblingsessen.« Jerrys Blick wurde glasig. »Bloß noch einen Moment, ich hab erst noch was zu erledigen.« Er verschwand in seinem Büro.
    Aus der geschlossenen Tür von Jerrys Büro drang Musik hervor, das hartnäckige Jaulen und Rattern thailändischer Popmusik. Sie war laut.
    »Gefällt ihm das Thai-Zeug etwa?« fragte Alex.
    Juanita zuckte die Achseln. »Eigentlich nicht«, antwortete sie laut. »Die Musik hab ich damals auf dem College gehört, aber wenn Jerry arbeitet, schaltet er einfach irgendwas ein… Er übertönt damit den Stadtlärm. Das ständige Rauschen, weißt du. Damit er nachdenken kann.«
    Die Musik blendete nahtlos in einen kunstvollen asiatischen Cha-Cha-Cha über. Sylvia schnitt eine Grimasse.
    »Gehen wir hinaus, dann zeige ich dir meinen Garten. Die Tacos halten sich solange.«
    Hinter dem Haus war es still. Es war ein wunderschöner Frühlingstag. Die Sonne schien, und im Garten gab es Geißblatt und ein Vogelbad. »Jerry ist immer so, wenn er sich mit Polynomen beschäftigen muß«, sagte Jane entschuldigend.
    »Was meinst du damit? Jerry war doch schon immer so.«
    »Nein, nicht ganz so, aber… na ja, du kennst ihn nicht so gut wie ich.« Sie seufzte. »Die Laborkittel haben ihn jetzt wirklich soweit gebracht, wie sie ihn haben wollten. Seminare, Vortragsreisen, Fakultätssitzungen… Wenn er fest angestellt wird und man ihm den Vorsitz anbietet, dann kriegen wir ein paar richtige Probleme.«
    »Was für Probleme?«
    »Erspar mir die Einzelheiten. Ich will's mal so ausdrücken - wenn Mommy wieder ein bißchen richtiges Geld in die Finger kriegt, dann kauft sie Daddy einen hübschen, mit Stiftungsgeldern finanzierten Stuhl, auf dem er sitzen und in aller Ruhe nachdenken kann, ganz für sich allein.« Jane zuckte die Achseln. »Wir waren ein paarmal in Oklahoma, um Vorträge zu halten und wegen der Medien - Jerry ist dort richtig beliebt… Das ist schon seltsam, die ganze Stadt wurde eingeebnet, und alles war ganz tragisch, alle waren völlig pleite und verzweifelt, und daher haben sie einfach… na ja, alle Regeln über Bord geworfen. Und jetzt bauen sie die seltsamste Architektur, die du dir vorstellen kannst! Alles wird von Grund auf neu aufgebaut, buchstäblich aus dem Nichts, aus Papier, Software und Schaumstoff. Das neue Oklahoma City ist ein einziges großes, intelligentes Wespennest. Warst du schon mal da?«
    »Nein! Scheint mir aber eine Reise wert zu sein«, sagte Alex.
    »Ja. Glaub schon. Offen gesagt, glaube ich, das ist die Zukunft. Man merkt auch, daß es die Zukunft ist, denn die Wasser- und Gasversorgung funktioniert kaum, es ist eng, und es stinkt. Und wenn da ein Feuer ausbricht, kann man nur noch beten.« Sie schaute den Garten an: Bohnen, Tomaten. »Bei Jerrys letzter Vortragstour hab ich von einem Agrotechniker aus Oklahoma was ganz Besonderes bekommen. War eine Art Bekanntheitsbonus.«
    Jane baute auf dem Hof zwei Reihen Mais an. Zea mays, aber mit verbessertem Chlorophyll. Die Menschheit hatte eine ganze Weile gebraucht, um die Photosynthese zu begreifen, die chemische Methode, mit der die Pflanzen Licht in Nahrung verwandelten, und als das uralte Geheimnis endlich gelüftet wurde, hatte es sich als ein ziemlicher Pfusch erwiesen. Noch nach zwei Milliarden Jahren Training zeigten sich die Pflanzen höchst widerspenstig, wenn es darum ging, Licht in Nahrung zu verwandeln. Pflanzen waren im Grunde beinahe so dumm wie Steine, und ihr Einfall, das Sonnenlicht zu nutzen, war die verrückteste Vorgehensweise, die man sich nur vorstellen konnte.
    Nun beschäftigten sich ernsthafte Menschen mit dem Chlorophyllproblem, und viel weiter gebracht hatten sie es auch nicht, aber sie hatten die Ausbeute mittlerweile um fünfzehn Prozent gesteigert, und das war eigentlich gar nicht so schlecht. Und sie würden noch mehr erreichen, wenn es ihnen gelang, das Getreide so zu konditionieren, daß es die furchtbare Wucht derart konzentrierten menschlichen Erfindungsreichtums aushielt. Und wenn sie gleichzeitig das Ökosystem dazu brachten, die furchtbaren Konsequenzen auszuhalten, sollte diese Technik jemals außer Kontrolle geraten. Alex interessierte sich sehr für die Chlorophyllverstärkung. Er hatte eine Menge darüber gelesen und verfolgte die größeren Netzdiskussionen zu dem Thema. Bloß von der schlauesten Erfindung hatte er noch nichts gehört.
    Janes Maispflanzen
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