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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter
Autoren: Bruce Sterling
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Brillengläsern verborgen waren, das unselige Ergebnis eines längeren Herumexperimentierens mit computerunterstützter Wahrnehmung. Unter dem medizinischen PuderMake-up breitete sich wieder der Ausschlag von einer fehlgeschlagenen Hormonbehandlung aus. Er trug einen Tropenanzug aus Leinen. Offenbar war seine Stimmung - nein, nicht gut, das war eigentlich nie der Fall, aber positiv.
    »Da bist du also wieder«, sagte er.
    »Ich war mit Juanita zusammen.«
    »Das habe ich gehört.«
    »Ich glaube, sie ist tot, papa.«
    »Sie ist nicht tot«, sagte sein Vater. »Tote lesen keine Email.« Er seufzte. »Sie lebt immer noch mit diesem dämlichen Mathematiker zusammen! Er hat sie mittlerweile nach Neumexiko gebracht. Ein gescheiterter Akademiker, großer Gott. Ein Wahnsinniger. Sie hat alles hingeschmissen, hat zugelassen, daß er ihre Karriere zerstört. Gott allein kann ihr jetzt noch helfen, Alejandro. Denn Gott weiß, daß ich es nicht vermag.«
    Alex setzte sich. Er legte die Hände auf den Kopf. Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Ich bin froh, daß sie am Leben ist.«
    »Alejandro, sieh mich an. Was soll der Papieranzug, warum läufst du herum wie ein Penner? Was soll der Dreck? Warum kommst du in einem solchen Aufzug in mein Büro, kannst du dich nicht wenigstens vorher waschen? Wir sind keine armen Leute, wir haben Bäder.«
    »Papa, sauberer ging's nicht. Ich habe einen Tornado überlebt. Der Dreck sitzt tief in der Haut. Man kann ihn nicht rauswaschen, man muß warten, bis sich die Haut erneuert hat. Tut mir leid.«
    »Du warst in Oklahoma City?« fragte sein Vater interessiert.
    »Nein, Dad. Wir waren dort, wo der Sturm zuerst zugeschlagen hat. Wir haben ihn verfolgt, und wir haben gesehen, wie es losging.«
    »Oklahoma City wurde ausführlich übertragen«, meinte sein Vater nachdenklich. »Das war ein ziemlich bedeutsames Ereignis.«
    »Wir waren nicht in Oklahoma City. Dort sind jedenfalls alle umgekommen.«
    »Nicht alle«, widersprach sein Vater. »Kaum mehr als die Hälfte.«
    »Davon haben wir nichts mitbekommen. Wir haben nur die Entstehung des F-6 miterlebt. Wir - die Truppe - wollten den Sturm von Anfang an dokumentieren, aus wissenschaftlichen Gründen, um ihn zu begreifen.«
    »Um ihn zu begreifen, wie? Höchst unwahrscheinlich! Wissen diese Leute, warum sich der Sturm unmittelbar hinter Oklahoma City so plötzlich gelegt hat?«
    »Nein. Ich weiß nicht, ob sie das wissen. Ich bezweifle, daß sie es wissen.« Alex starrte seinen Vater an. Das führte zu nichts. Er wußte nicht, was er dem Mann sagen sollte. Er hatte ihm nichts mitzuteilen. Abgesehen von der unangenehmen Nachricht, daß er sterbenskrank war und daß jemand aus der Familie ihm beim Sterben würde zusehen müssen. Hauptsächlich aus formalen Gründen. Und er wollte nicht, daß Jane diejenige sein müßte. Sein Vater war der einzige, der sonst noch in Frage kam.
    »Also«, sagte sein Vater, »ich habe mich schon gefragt, wann du zurückkommen und wieder Vernunft annehmen würdest.«
    »Ich bin wieder da, papa.«
    »Ich habe versucht, dich zu finden. Gelungen ist es mir nicht, schließlich hat deine Schwester dich vor mir versteckt.«
    »Sie… äh... Na ja, ich kann sie nicht verteidigen, papa. Juanita ist sehr dickköpfig.«
    »Ich hatte gute Neuigkeiten für dich, deshalb wollte ich mit dir sprechen. Sehr gute medizinische Neuigkeiten, Alex.«
    Alex brummte etwas. Er lehnte sich zurück.
    »Ich kann dir nichts Genaues sagen, aber seit einiger Zeit haben wir Dr. Kindscher verpflichtet, und als ich hörte, daß du da bist, habe ich ihn gleich herkommen lassen.« Er schwenkte die Hand über einer in den Schreibtisch eingelassenen Linse.
    Dr. Kindscher betrat das Büro. Alex hatte den Eindruck, Dr. Kindscher habe bereits eine ganze Weile gewartet. Halt eine Frage der medizinischen Etikette, um klarzumachen, wessen Zeit wertvoller war.
    »Hallo, Alex.«
    »Hallo, Doktor.«
    »Wir haben neue Ergebnisse aus der Schweiz, Ihren Genscan betreffend.«
    »Ich dachte, das Projekt hätte man schon vor Jahren aufgegeben.«
    Dr. Kindscher runzelte die Stirn. »Alex, es ist gar nicht so leicht, ein ganzes menschliches Genom bis auf die letzten paar Centimorgan zu analysieren. Bei einem einzelnen Individuum ist das eine äußerst komplizierte Angelegenheit.«
    »Wir mußten uns für die Analyse Sublabors suchen«, sagte sein Vater, »und die Aufgaben in kleine Fitzelchen unterteilen.«
    »Und wie Mr. Unger sagte, haben wir ein neues Fitzelchen
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