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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter
Autoren: Bruce Sterling
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eine Leere und ein Stillsein für immer. Er liebte den Tod nicht mehr. Er mochte den Tod nicht einmal mehr. Das Sterben war etwas, das er hinter sich bringen mußte.
    Es war nicht leicht, in den Stadtteil seines Vaters hineinzugelangen. Die Cops von Houston waren schon immer zahlreich und hart gewesen, die Art Cops, die Zähne wie Dobermänner hatten, und das schwere Wetter hatte sie nicht milder gestimmt. Die Cops von Houston waren nett zu Leuten, wenn sie wie nette Leute aussahen; aber wenn Leute so aussahen wie er jetzt, dann waren die Cops des Jahres 2031 die Art Cops, die Landstreicher festnahmen und mit ihnen draußen in den Sümpfen furchtbare Sachen anstellten.
    Aber Alex hatte seine Methoden. Er war nicht umsonst in Houston aufgewachsen, und er wußte, was es bedeutete, wenn einem jemand eine Gefälligkeit schuldig war. Er erreichte das Haus seines Vaters, ohne auch nur die Klamotten zu wechseln.
    Und dann mußte er sich an den Leuten seines Vaters vorbeiarbeiten.
    Er schaffte es, das Gebäude zu betreten. Er setzte sich beim
    Aufzugcomputer durch. Der Portier an der Tür zum Penthouse-Stockwerk ließ ihn ein; er kannte den Portier. Und dann mußte er im marmornen Vorzimmer mit den riesigen aztekischen Mandalas, den Orang-Utan-Schädeln und den chinesischen Lampen warten.
    Er saß in seinem schmutzigen Papieranzug hustend und zitternd auf der samtbezogenen Sitzbank, die Hände auf den Knien und mit schwindligem Kopf. Er wartete geduldig. So war es bei seinem Vater jedesmal. Wenn er lange genug gewartet hatte, tauchte irgendein Laufbursche auf und brachte ihm Kaffee und süße englische Kekse.
    Nach etwa zehn Minuten öffnete sich die bronzene Doppeltür am anderen Ende des Vorraums, und hindurch trat die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Sie war ein neunzehnjähriger Wildfang mit violetten Augen, mit einer reizenden schwarzen Ponyfrisur, kurzem Rock, aufgeknöpfter Bluse und hohen Absätzen.
    Sie machte ein paar zögernde Schritte auf dem getäfelten Marmorboden, schaute Alex an und lächelte affektiert. »Bist du das?« fragte sie auf spanisch.
    »Tut mir leid«, sagte Alex. »Ich glaube nicht.«
    Sie wechselte ins Englische über, und ihre Augen weiteten sich. »Möchtest du… Shopping gehen?«
    »Nein, danke, im Moment nicht.«
    »Ich könnte dich herumfahren. Ich kenne viele nette Geschäfte in Houston.«
    »Vielleicht ein andermal«, sagte Alex und nieste heftig. Sie betrachtete ihn nun mit tiefer Sorge, dann drehte sie sich um und ging hinaus, worauf sich die Türen mit einem dumpfen Laut hinter ihr schlossen.
    Etwa sieben Minuten später tauchte ein Laufbursche mit dem Kaffee und den Keksen auf. Es war ein neuer Laufbursche - es war fast jedesmal ein neuer Laufbursche, der unterste Rang im Unger-Imperium -, aber die englischen Kekse waren wirklich gut, und der Kaffee stammte wie immer aus Costa Rica und war hervorragend. Alex hielt sich bei den Keksen zurück, nippte mehrmals vorsichtig am Kaffee und erholte sich so weit, daß er heftige Schmerzen bekam. Er bat den Laufburschen, ihm ein Aspirin oder besser noch ein Kodein zu bringen. Der Laufbursche kehrte nicht zurück.
    Dann tauchte einer der Privatsekretäre auf. Es war einer der älteren Sekretäre, Senor Pabst, der Familie loyal ergeben, ein gepflegter alter Herr mit einem mexikanischen Anwaltspatent und einem gut kaschierten Alkoholproblem.
    Pabst musterte ihn mit aufrichtigem Mitgefühl. Pabst stammte aus Matamoros. Die Unger-Familie hatte eine Menge Verbindungen in Matamoros. Alex wäre nicht so weit gegangen, zu sagen, daß er eine Beziehung zu Pabst hatte, aber ihr Verhältnis kam gegenseitigem Verständnis recht nahe.
    »Ich glaube, du solltest dich besser gleich ins Bett legen, Alejandro.«
    »Ich muß mit El Viejo sprechen.«
    »Du bist nicht in der Verfassung, um mit El Viejo zu sprechen. Du wirst irgendwelche Dummheiten machen, die dir hinterher leid tun werden. Sprich morgen mit ihm. Das ist besser.«
    »Also, will er mich nun empfangen oder nicht?«
    »Er will dich empfangen«, gab Pabst zu. »Er will dich immer empfangen. Aber wohl kaum in diesem Zustand.«
    »Mittlerweile dürfte ihn doch nichts mehr so leicht umhauen, oder? Bringen wir's hinter uns.«
    Pabst brachte Alex zu seinem Vater.
    Guillermo Unger war ein hochgewachsener, schlanker Mann Ende fünfzig, mit kunstvoll verwobenem, künstlichem blondem Haar von der Farbe von Molkereibutter allerbester Qualität. Er hatte blaue und sehr wässrige Augen, die hinter dicken
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