Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware
Autoren: Roger Aeschbacher
Vom Netzwerk:
ermordet wurde.«
    »Wer ist ermordet worden?«, tat Baumer verwundert, und es begann ihm zu gefallen, dass er den großen Fisch am Haken hatte.
    »Die Amadio ist doch tot!«, rief Freundlieb und merkte nicht einmal, dass er, ohne danach gefragt worden zu sein, die tote Rentnerin erwähnt hatte.
    »Sie waren das also?«, tat Baumer verwundert. Ein erneutes Schütteln am Bäumchen.
    »Nein«, flehte Freundlieb bereits verzweifelt. »Das war ich nicht.« Der Direktor mit dem schütteren Haar schlug seine Hände ineinander und zitterte wie eine 90-jährige Nonne in ihrem Rollstuhl, wenn der Papst im Papamobil vorbeifährt. Nur zitterte der große grauhaarige Mann nicht vor Freude. »Der Firsov war’s. Der Firsov war’s«, schrie Freundlieb und brach endgültig zusammen.
    Baumer schaute auf den großen kleinen Doktor hinunter, wie er wimmerte. Wie dünn der Firnis doch ist, den ein Titel einer Person verleiht, dachte er. Ein kleiner Mord und schon verliert man die Contenance.
    Freundlieb hatte also seinen Assistenzarzt des Mordes beschuldigt. Vielleicht war das so. Vielleicht war es auch nur der verzweifelte Schachzug eines Mörders.
    Der Kommissar ließ dem Dr. med. ein paar Minuten, dann nahm er das Protokoll auf. Das heißt, Madame La Roselle tat dies. Die ein wenig verhärmte Elsässerin war vom Stützpunkt Spiegelhof hinzugerufen worden und stenographierte das Gespräch zwischen Baumer und Freundlieb. Danach würde sie es ins Reine tippen. So ging es am Schnellsten.
    Baumer musste dem Klinikdirektor nur wenige weitere Fragen stellen. Freundlieb war bereits weichgekocht, noch bevor Baumer die Gasflamme richtig hochgedreht hatte und erzählte bereitwillig über das kleine Geschäft mit der Schweizer Ware. Andi Baumer begnügte sich deshalb, ihn reden zu lassen. Er fragte nur ab und zu nach, wollte, dass er einen bestimmten Sachverhalt in seiner Aussage präzisierte. Baumer war wie ein Bachbett, der einer sprudelnden Bergquelle im Frühling hilft, ihren geordneten Weg zu finden.
    Der Klinikchef Dr. Freundlieb, der große Manager, gab zu, über den Handel mit Leichenteilen Bescheid gewusst zu haben. Ja, er selbst habe sogar Gewebe entnommen. Laut seiner Aussage war in der Klinik aber kein Patient ermordet worden, um an mehr Material zu kommen.
    Baumer glaubte Freundlieb das sogar, denn Freundlieb erklärte überzeugend, dass es gar nicht notwendig gewesen war, dem Sterben nachzuhelfen. Die alten Leute starben sowieso von allein. So gab es immer Nachschub.
    Aber trotzdem würde Regazzoni alle jene Menschen exhumieren, die in letzter Zeit in der Alpensonne gestorben waren und bei denen ein Angehöriger oder auch der Hausarzt einen begründeten Verdacht auf Fremdeinwirkung äußern würde. Wenn im einen oder andern Fall dem Sterben doch nachgeholfen worden wäre, würden sie es mit einer Obduktion unzweifelhaft herausfinden.
    Doch Baumer glaubte der Beteuerung Freundliebs, dass es gar nicht notwendig gewesen sei, das Sterben zu beschleunigen. Eine unglückliche Häufung der Todesfälle war es wohl nur, drei in kurzer Zeit. Die hatten aber dummerweise die Neugier der alten Amadio geweckt, da es alles gute Freundinnen von ihr waren. Weil sie von ihrem Sohn keine Hilfe bekommen hatte, stellte sie, so nahm Baumer an, selbst Nachforschungen an. Sie musste dem einträglichen Nebengeschäft der beiden noblen Mediziner irgendwie auf die Spur gekommen sein. Dadurch war sie Freundlieb und Firsov eindeutig zu gefährlich geworden.
    »Und die Amadio? Wer hat sie ermordet?«
    Freundlieb hatte sich, als er erzählte, wie er und Firsov in der Alpensonne gearbeitet hatten, wieder ein wenig beruhigt. Seine Haare lagen jetzt einigermaßen in Form, weil er sie während der Aussage immer und immer wieder zurecht gestrichen hatte. Er wiederholte seine Aussage von zuvor. »Firsov war’s. Ich habe damit nichts zu tun.« Er blinzelte, als er das sagte.
    Baumer nahm es wahr, insistierte aber nicht.
    Als schließlich auch diese Aussage von Freundlieb notiert war, wurde er in seine Zelle zurückgeführt.
    Nachdem Baumer dann per Telefon die Bestätigung erhalten hatte, dass der große Untersuchungsgefangene wieder schön versorgt sei, ließ er den russischen Assistenzarzt kommen. Als der in den Verhörraum eintrat, als wäre er ein russischer Graf auf Durchreise, wusste der Kommissar sofort, dass er hier eine härtere Nuss zum Knacken bekommen hatte.
    Firsov stritt alles ab, hatte von nichts eine Ahnung. Mord an Helen Amadio-Meier? Die habe er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher