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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware
Autoren: Roger Aeschbacher
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bediente bei jeder Reise immer eine große Anzahl. Die Gefahr, erwischt zu werden, war dabei gleich Null. Bei der Ausreise wurde er von den Schweizer Zöllnern nicht kontrolliert. Bei der Einreise in sein Heimatland halfen genügend Dollars zur sicheren Fahrt. Scharf durchsucht wurde er einzig von den Schweizer Zöllnern, wenn er wieder zurückkam. Aber da hatte er seine Schweizer Ware längst an den Mann gebracht.
    Firsovs Businesstrips waren äußerst lukrativ. Die gutbetuchten Russen und Ukrainer standen Schlange um ihre Spritze zu erhalten. Botox war out, echte, frisch isolierte Proteine für allerlei Kuren dagegen in. Stammzellen waren der letzte Schrei. Die Kunden zahlten gern und viel, Schweizer Markenware war unbesehen beliebt.
    In Zukunft müssten die Kunden allerdings auf den »Schweizer Doktor«, wie sie Anatoli Firsov nannten, verzichten. Dr. Firsov saß wegen Mordverdachts an Helen Amadio-Meier hinter Gittern. Ebenso wie Dr. Freundlieb. Zwar war das im TeleBasel noch nicht gemeldet worden, aber es hatte bereits die ersten Verhöre gegeben. Morgen würde Markus Schläfli erneut eine Pressekonferenz einberufen können und das frohe Resultat seiner Ermittlungen bekannt geben. Sicherlich würde er mehr als dezent darauf verweisen, dass er selbst die Zeugen vernommen habe. Und natürlich würde er dann den Mörder der Helen Amadio-Meier präsentieren wollen. Denn einer der beiden Doktoren war der Täter. Nur welcher?

    *
    Tatsächlich war es natürlich Baumer, der die Befragungen durchgeführt hatte. Als erstes hatte sich der Kommissar den Klinikdirektor Freundlieb gegen 14 Uhr dieses ereignisreichen Tages vorgenommen. Er ließ ihn sich im Waaghof vorführen, dem Untersuchungsgefängnis von Basel, wo auch die Staatsanwaltschaft war.
    Der einst so hochnäsige Direktor sah noch mitgenommener aus als Kommissar Baumer, der selbst ziemlich angeschlagen wirkte. Baumer hatte in der Nacht kein Auge zugetan. Stattdessen war er mit Grabschändung, Überzeugen von Schläfli und schließlich Vorbereiten und Durchführen einer Razzia beschäftigt gewesen. Trotzdem sah er immer noch frischer aus als der Arzt vor ihm. Andi hatte schon ein halbes Dutzend Espressi intus.
    Freundlieb erinnerte nur noch entfernt an einen allwissenden Arzt. Wer ihn jetzt gesehen hätte, würde eher auf einen verlumpten Schreinermeister getippt haben. Er trug Hemd (ohne Krawatte) sowie eine Hose (ohne Gürtel). Baumer schaute nicht hin, aber er wusste, Freundlieb hatte auch keine Schnürsenkel in seinen Schuhen. Der hochgeschossene Arzt war innerhalb nur eines Tages um mindestens 15 Zentimeter geschrumpft. Sein schütteres Haar stand ihm in allen Himmelsrichtungen um den Kopf. Als er sich setzte, versuchte er, seinen zersausten Haarkranz wieder zu richten. Es gelang ihm nicht.
    Freundlieb wusste nicht, dass er der Erste war, der vernommen wurde. Baumer tat aus taktischen Gründen aber so, als wäre Firsov bereits verhört worden. Er schoss gleich los mit seiner Anklage gegen den Mediziner. So hatte es Kojak immer gemacht. Baumer hatte dessen cooler Stil immer gefallen.
    »Sieht nicht gut aus für Sie, Herr Direktor«, schoss Baumer seinen ersten Pfeil ab. Er fühlte sich wie der New Yorker Lieutenant, wenn er einen Gauner zusammenstauchte, der ihm dumm kommen wollte. Es fühlte sich gut an.
    Der Doktor zuckte bereits bei diesem generellen Anwurf zusammen. Er hatte jegliche Selbstsicherheit verloren und war mehr als verängstigt.
    »Mord!«, zog Andi Baumer den Mund verächtlich breit. Er spürte, dass dieser Mann nur ein bisschen geschüttelt werden müsste, dann würden die süßen Pflaumen vom Bäumchen fallen.
    Der scharfe Vorwurf des Kommissars gab Freundlieb bereits den Rest. »Nein, nein. Ich war das nicht«, rief er verzweifelt und klagte mit erstaunten Augen die ganze Welt an.
    Baumer ignorierte den Blick des Arztes, »Sie wollen es nicht gewesen sein?«, tat er irritiert, »Firsov hat uns aber etwas ganz anderes erzählt.«
    »Um Himmels willen. Nein, nein. Er lügt! Ich bin doch kein Mörder«, rief Freundlieb und fuchtelte verzweifelt mit den Armen, als wolle er ein Gespenst von sich fern halten.
    Baumer sagte nichts.
    Der Untersuchungshäftling Freundlieb zitterte so stark, als ob er Schüttelfrost hätte. »Glauben Sie mir, bitte«, kroch er Richtung Baumer. »Ich war das nicht. Ich habe mit dem Mord an der Amadio nichts zu tun«, flehte er mit erschreckten Augen.
    »Amadio? Welche Amadio?«, fragte Baumer.
    »Die … die Frau, die
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