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Verbrechen im Rampenlicht

Verbrechen im Rampenlicht

Titel: Verbrechen im Rampenlicht
Autoren: Stefan Wolf
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    »Du hast einfach nicht das Zeug
zum Star! Du bewegst
dich wie eine tiefgekühlte Käsetorte im Vollrausch!«, die Worte hallten
blechern aus dem alten Fernseher, der in der Ecke des Gruppenraums stand.
Mehrere Internatsschüler aus verschiedenen Klassenstufen hatten es sich vor dem
Kasten bequem gemacht. Obwohl sich die Frühlingssonne vor den Fenstern mächtig
ins Zeug legte, zog es keinen von ihnen hinaus ins Grüne. Seit acht Wochen lief
nun schon die Show Die Urzeit-Beautys und man durfte keine Folge
verpassen, wenn man mitreden wollte.
    Tim war einer der Wenigen, die
sich nichts aus der Casting-Show machten. Verzweifelte Models, die in einer
steinzeitlichen Umgebung überleben mussten, interessierten ihn nicht. Überhaupt
zog es den Häuptling der TKKG-Bande eher nach draußen ins Grüne, als vor den
Fernseher. Und bei so schönem Wetter stand ihm der Sinn nach einem schnellen Waldlauf
oder einer Trainingseinheit mit seinem Mountainbike. Immerhin war Tim ein
begeisterter Sportler und nicht nur in Judo und Karate ein echtes Ass. Doch
heute war keine Zeit für Sport. Die Schülerversammlung tagte bereits in ein
paar Minuten und es war Tims Aufgabe, seinen Freund Willi — der von allen nur Klößchen genannt wurde — vom Fernseher wegzulocken. Das allerdings war ein äußerst
schwieriges Unterfangen. Klößchen hatte gerade erst einen strategisch guten
Platz auf dem Sofa ergattert: mit freier Sicht auf den Fernseher und (noch
wichtiger) ungehindertem Zugriff auf den Teller mit den Schoko-Keksen. Klößchen
mochte Fernsehen, war ziemlich gesellig und liebte alles, was auch nur im
Entferntesten mit Schokolade zusammenhing. Im Gegensatz zu Tim hegte er keine
besondere Leidenschaft für Sport. Ihm machte es nichts aus, mitten im schönsten
Spätfrühling in einem stickigen, überfüllten Gruppenraum zu sitzen. Ein
Waldlauf hingegen wäre ihm ein wahrer Graus gewesen.
    »Klößchen, nun komm!«, drängte
Tim zum dritten Mal. »Die Versammlung fängt gleich an. Ich will nicht den
Anfang verpassen. Und Gaby und Karl warten bestimmt auch schon auf uns.«
    »Pst!«, machte ein Mädchen aus
der Zehnten.
    Tim verdrehte die Augen, was
aber keiner sah. Alle starrten auf eine junge Frau, die in einem Minikleid aus
Fellimitat versuchte, ein Feuer zu machen und dabei auch noch gut auszusehen.
Der Juror schnaubte verächtlich. »Gloria, du Schnarchpalette! Bis das da an
ist, sind wir ja mit der nächsten
Eiszeit durch! Und überhaupt: Wir suchen hier megasüße Steinzeit-Schönheiten.
Du bist aber nichts weiter als eine unreife saure Gurke!«
    Die junge Frau brach in
Sturzbäche von Tränen aus und musste von zwei anderen Models getröstet werden,
die ihr mit geheucheltem Mitgefühl den Rücken streichelten. Mit ihren langen
rosa Fingernägeln wischte sich Gloria hektisch über das Gesicht und
verschmierte ihr Make-up zu einer braunen Masse, die an Schlamm erinnerte. Kurz
darauf schwenkte die Kamera auf eine hochgewachsene Blondine, die
offensichtlich als Einzige in der Lage gewesen war, ihren Holzstapel in Brand
zu setzen. Sie zwinkerte ihrem Publikum verschwörerisch zu und strich
gleichzeitig ihr eng sitzendes Wildschweinfellkleid glatt.

    »Sehr schön, Denise! Du bist
super!«, lobte der Juror in einem vollkommen anderen Tonfall. Er klang
plötzlich wie eine schnurrende Katze. »Das war mammutmäßig stark!«
    »Deine Schwester wird bestimmt
gewinnen!«, sagte die Zehntklässlerin anerkennend zu einem Mädchen, das auf dem
Fußboden saß. Es war Celine Stubenkoller, eine Mitschülerin von Tim und
Klößchen, die erst vor ein paar Monaten zu ihnen in die Klasse gekommen war.
Celine war sehr still und hatte bislang im Internat noch keine richtigen Freunde
gefunden. Seit einer der Schüler allerdings rausgefunden hatte, dass
ausgerechnet Celines große Schwester Denise bei Die Urzeit-Beautys mitmachte, wurde sie plötzlich öfter angesprochen. Das schien Celine aber nicht
besonders zu gefallen. Im Gegenteil, es war ihr sichtlich unangenehm. Auch
jetzt antwortete sie nur matt und mit gesenktem Kopf: »Ja, vielleicht.« Mehr
sagte sie nicht.
    Tim tat das Mädchen leid. Es
war ganz offensichtlich alles andere als einfach, eine so hübsche und
erfolgreiche Schwester zu haben. Besonders dann, wenn man selbst schüchtern,
blass und etwas rundlich war — so wie Celine. Vermutlich hatte sie es satt,
ständig mit Denise verglichen zu werden. Bevor sich Tim jedoch weitere Gedanken
über seine neue Klassenkameradin machen
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