Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware
Autoren: Roger Aeschbacher
Vom Netzwerk:
erkennen.

    Anna.

    Er wusste, mit welchem Flugzeug sie kommen würde. Air Berlin Flug 2341. Abflug vom Airport Nikos Kazantzakis in Iraklion, Kreta, um 15:55 Uhr. Geplante Ankunftszeit in Basel-Mulhouse war um 18:10 Uhr gewesen, das Flugzeug war aber mit einer Stunde Verspätung gelandet. Baumer hatte sich extra von der Arbeit losgeeist und war mit dem Taxi – 56 Franken! – an den Flughafen gefahren. Es nervte ihn, dass er diese Extrastunde warten musste, denn immerhin hatte er viel zu tun. Um sich die Zeit zu vertreiben, hatte er sich einen Café au Lait an der Stehbar nahe de m Kiosk einverleibt, danach noch einen Espresso. Gesellschaft hatte er durch den Arbeitslosen gehabt, den er beim letzten Besuch an dieser Bar schon gesehen hatte. Gesprochen hatten die beiden aber nicht miteinander.
    Schließlich war er nervös den Gang auf und ab gegangen und in der überdimensionierten Flughafenanlage ein wenig verloren herumgeirrt. Es gab hier ja nicht einen einzigen Shop, in dem Baumer wenigstens ein teures Baumwollhemd hätte kaufen können. Auch keinen Schuhladen. Sowieso hätten sie höchstwahrscheinlich die Übergröße nicht gehabt, die Baumer für seine Riesenfüße gebraucht hätte.
    Als die Anzeige endlich kam, dass die Boeing 737-800 gelandet sei, war er sofort zum Ankunftsbereich gegangen. Jetzt wartete er gespannt. Baumer wollte seine Freundin – seine Freundin? – auf keinen Fall verpassen. Er wusste zwar, dass es noch eine Viertelstunde oder länger dauern würde, bis Anna aus dem Flugzeug war, dann durch die Passkontrolle, dann den Koffer holen und schließlich am Zoll vorbei zum Ausgang gehen konnte. Aber Baumer war nervös und wollte Anna nicht noch in einem Pulk von Leuten verpassen. Also drückte er sich schamlos durch bis an das kleine Geländer, das die Wartenden vor der automatischen Schiebetür auf Distanz hielt.
    So würde Anna ihn sofort sehen, wenn sie ihren Koffer gepackt hätte und durch den Ausgang kommen würde. Er war froh, dass das Warten endlich ein Ende nahm. Interessiert lehnte er an der Absperrung wie ein Pferd am Zaun, wenn der Bauer den Hafersack schüttelt.
    Die Schiebetür ging auf. Ein Geschäftsmann kam schnellen Schrittes hindurch, den Blicken von mehr als einem Dutzend Wartenden irritiert ausweichend. Durch das geöffnete Portal sah Baumer in die Ankunftshalle, wo die riesigen Förderbänder Koffer und allerlei Reisegepäck aus dem Untergeschoss nach oben beförderten. Die Gepäckstücke drehten sich wie Sushis auf einem Fließband. Die Reisenden griffen gierig zu. Anna sah er nicht. Die Tür schloss sich wieder. In immer kürzeren Abständen öffnete sie sich wieder, weil mehr und mehr Leute ihren Koffer hatten und dem Ausgang zustrebten. Anna war immer noch nicht zu sehen. Baumer wurde unruhig. Die automatische Tür ging wieder zu.

    Auf.

    Zu.

    Auf.

    Zu.

    Baumer schaute sich nervös um. Gab es noch weitere Ausgänge? Hatte sie etwa den falschen Ausgang genommen, auf diesem von Frankreich und der Schweiz gemeinsam genutzten Provinzflughafen? Wenn man hier ankam, musste man immer aufpassen, in welches Land man ausreiste, wenn man die Ankunftshalle verließ.
    Dann stand sie da.
    Die Tür war mit einem »Schhht« aufgegangen. Anna hatte noch zwei Schritte gemacht, am ausgefahrenen Bügel ihren Rollkoffer nach sich ziehend. Sie hatte Andi entdeckt und war mitten im Gang stehen geblieben. Nun legte sie den Kopf auf die Seite und blickte ihn über das Absperrgitter hinweg an.
    Andi richtete sich auf, erwiderte den Blick und versuchte zu lächeln. Er hob die Rose. Weder er noch Anna sagten ein Wort. Beide schauten sich nur fragend an.
    Hinter Anna kam ein älterer Mann mit seiner Frau, die gemeinsam einen Gepäckwagen mit ihren Koffern schoben. Sie fuhren Anna fast in die Fersen. »Achtung«, krächzte der Mann heiser und Anna machte erschreckt ein paar Schritte vorwärts, um den Weg freizugeben.
    Sie drehte sich wieder zu Baumer. Jetzt stand sie ganz nah vor ihm. Nur das im Boden fest verankerte Geländer war auf Hüfthöhe zwischen ihnen.
    Anna schaute auf die Rose. »Ist die für mich?«
    Andi gab ihr die Blume. »Ich habe dich vermisst«, sagte er und schaute sie von oben bis unten an. »Wie braun du geworden bist.«
    »Ich hatte viel Zeit, in der Sonne zu liegen.« Anna lächelte.
    Vorsichtig lächelte Baumer zurück. Dann sagte er nochmals: »Ich habe dich vermisst.«
    Sie schaute ihn an, still und zugleich interessiert, die wunderschöne Anna, deren blonde Haare die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher