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Schweizer Ware

Schweizer Ware

Titel: Schweizer Ware
Autoren: Roger Aeschbacher
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an das schließt alles nahtlos an, und man sieht das ganze Bild.«
    Der Russe schien sich zu fragen, was ihn verraten haben könnte. Oder war das nur ein Bluff des Kommissars?
    »Na, was ist?«, sagte Baumer zu Firsov, der sich am Kopf zu kratzen begann. »Glaubst du etwa, ich könne es nicht beweisen?« Andi Baumer tat erstaunt. »Kommst du denn wirklich nicht drauf, welchen Fehler du gemacht hast?«

    *
    Gab es einen stichhaltigen Beweis für die Schuld Anatoli Firsovs am Mord der 85-jährigen alten Rentnerin? Gab es irgendetwas, was der Russe übersehen hatte?
    »Welchen Beweis hast du, Baumer?«, schienen sich sowohl Firsov als auch der junge Polizist, der ihn bewachte, zu fragen. Aber keiner der beiden traute sich, dem Kommissar diese entscheidende Frage zu stellen. Der eine nicht, weil er die Antwort fürchtete, der andere nicht, weil er dem Kommissar nicht in seine Show hineinfunken wollte. Zum Glück war der so nett, die nicht gestellte Frage zu beantworten.
    »Sie haben doch Chirurgenhandschuhe getragen, als Sie die Amadio erstochen haben? Richtig?«, sagte Baumer.
    Firsov antwortete nicht. Das war auch eine Antwort.
    »Schlau, Firsov. Das war geschickt. Der Gummi hinterlässt keine Fingerabdrücke.«
    Der Russe lachte nicht mehr. Er wusste, dass hier noch etwas Entscheidendes kommen musste.
    »Tja, Firsov«, sagte Baumer. »Und dann, nachdem du die Amadio ermordet hast, hast du die Handschuhe abgestreift, so wie du es immer tust nach einer Operation.«
    Der Gefangene riss die Augen auf und erbleichte, als er sich zu erinnern versuchte, ob es so gewesen war.
    Baumer half ihm dabei. »Der Mord hat dich vielleicht unerwarteterweise doch ein wenig erschüttert. Nicht ganz das, was der Hippokrates im Sinn hatte, was, Firsov? Morden in echt ist halt nicht so einfach. Das kann einen ganz schön mitnehmen«, sagte er leise und fast schien es, als spürte er Mitleid mit dem Assistenzarzt. Dann sagte er mit wieder stärkerer Stimme: »Du hast die Handschuhe ausgezogen, so wie du es immer tust. Hast den Gummi am Handgelenk gefasst, nach vorne über die Finger weggezogen. Schnapp! Die Handschuhe dann in der Jackentasche verstaut.«
    Firsov blickte mit großen Augen und offenem Mund ins Nichts. Erinnerte er sich wieder?
    Andi Baumer kostete den Moment aus. »Und dann, Anatoli, mein lieber Freund, hast du den entscheidenden Fehler gemacht.«
    Der Russe verzerrte sein Gesicht, sein Herz pochte wild. Baumer sah die pulsierenden Schlagadern an seinem Hals.
    »Unten, an der Haustür«, fuhr Baumer ohne Rücksicht auf die Gefühle des Russen fort, »da hast du, fast schon wie ein guter Schweizer, das Kettchen an der Tür wieder eingehängt. Wahrscheinlich hast du es selbst gar nicht bemerkt, als du das tatest. Man wird so schnell zum guten Schweizer.«
    Firsov spannte alle Muskeln an, verzerrte das Gesicht, dann brach er ein. Er atmete beinahe so tief aus, wie es Baumer beim Exitus der Sophia Rüdiger gesehen hatte. Der Russe wusste, dass er jetzt ein gestellter Mörder war. Ein einziger Fingerabdruck, hinterlassen an einem Knopf an der Innenseite einer schweren Tür an der Rotbergerstraße bewies, dass er dort war. Drinnen, und nicht draußen wie der Pöstler – oder Freundlieb im Wagen.

    Ein Fingerabdruck.

    Alle anderen Fakten waren Beilagen, welche die bereits geschlossene Beweiskette nur zierten. Es waren Details. Schön zu haben – »Nice to have« – aber den entscheidenden Beweis hatte der Chirurg eigenhändig hinterlassen.
    »Eine Frage noch«, schob sich Baumer zum Russen hin. »Wie ist sie euch auf die Schliche gekommen?«
    Firsov saß da, wie ein alter Kutscher auf seinem Bock. Er hatte seine Augen geschlossen, schien mit den Gedanken weit weg zu sein, sah vielleicht seine nächsten 12 Jahre vor sich. Er antwortete nicht.
    Baumer insistierte. Er musste es endlich wissen, ob er mit seiner Vermutung richtig lag, dass die vife Rentnerin auf eigene Faust Nachforschungen angestellt hatte. »Hat die Amadio euch bei einer Unterredung überrascht? Vielleicht hat sie dich auch gesehen, als du ein paar Proben verwurstet hast. Die Amadio ist eine kontaktfreudige Person gewesen. Hat viele Leute gekannt, mit allen gesprochen. Vielleicht gab es schon Gerüchte im Haus. Also hat sie einmal eine bestimmte Tür aufgemacht, die sie nicht hätte aufmachen dürfen. Na?«
    Der Russe schaute in Zeitlupe zu Baumer auf.
    »Sie ist bei dir hereingeplatzt, richtig?«
    Firsov senkte den Kopf im selben Tempo. Dann nickte er.
    »Hat also
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