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Langenscheidt Fußball-Deutsch, Deutsch-Fußball

Langenscheidt Fußball-Deutsch, Deutsch-Fußball

Titel: Langenscheidt Fußball-Deutsch, Deutsch-Fußball
Autoren: Gerhard Delling
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Aberglaube
ABERGLAUBE
    Von dem italienischen Philosphen und Schriftsteller Umberto Eco stammt der Satz: „Der Fußball ist einer der am weitesten verbreiteten religiösen Aberglauben unserer Zeit. Er ist heute das wirkliche Opium des Volkes.“ In der Tat hat der Fußball für viele Menschen diese letztgenannte Funktion, das Herbeiführen eines rauschhaften Zustands … wobei so mancher Fan das gewünschte Resultat bereits vor dem Spiel durch verstärkte Einnahme von alkoholhaltigen Getränken sicherzustellen sucht.
    Verbürgt ist aber auch, dass viele Fußballspieler und -trainer selbst abergläubisch sind. Das ist keine Marotte, über die man sich lustig machen sollte, sondern ein vielversprechendes Grundgesetz vor allem für die Sportler, die den Erfolg suchen, ohne eigentlich eine Chance zu haben. „Jeder denkt, dass wir das Spiel verlieren werden, aber glaube mir, wir werden unsere Möglichkeiten bekommen“, sagt der Trainer vor dem schier aussichtslosen Pokalspiel voller Überzeugung zu seiner Mannschaft – nur, weil ihm an diesem Tag die schwarze Nachbarskatze nicht über den Weg gelaufen ist.
    Der Glaube kann Berge versetzen, der Aberglaube auch! Wie Goethe es ausdrückte: „Der Aberglaube ist die Poesie des Lebens, deswegen schadet’s dem Dichter nicht, abergläubisch zu sein.“
    Dem Fußballer schadet es nur dann, wenn das Phänomen Ausdruck übertriebener Skepsis ist. Wenn also der Trainer in der Mannschaftsbesprechung etwa sagt: „Ich glaube fest an unseren Erfolg, aber die anderen sind immer für ein Tor gut, und deswegen stellen wir unsere Taktik um!“ So werden aus gut kombinierenden Mannschaften nicht selten rennende, kämpfende Horden; oder aus konditionsstarken Fußballfightern plötzlich zahme, zurückhaltende Freundschaftsspieler. Unschwer zu erahnen, dass das nicht funktionieren kann. Aberglaube kann ein Fußballspiel entscheiden. In den meisten Fällen ist er allerdings entweder völlig sinnlos oder sogar gefährlich.
    So muss Günter Netzer wirklich dankbar sein, dass er wegen seines Aberglaubens nicht schon mehrere Unfälle verursacht hat. Höchstgefahr herrscht immer dann, wenn er am Steuer sitzt und dabei am rechten Straßenrand eine Schafherde entdeckt. Sofort wird er aktiv (und das soll etwas heißen), weil sich eine Prophezeiung wie in Stein gemeißelt in sein Gedächtnis gefräst hat: „Schafe zur Linken, das Glück wird dir winken!“ Und schon entwickelt sich für den nichts ahnenden Beifahrer Beängstigendes: Günter Netzer lässt für einen Moment das Lenkrad einfach los, dreht sich wie zu besten Fußball-Zeiten – als er nach einem Tor jubelnd durch die Luft pirouettierte – um mindestens 180 Grad nach rechts, den Beifahrer ignorierend, den Blick fest Richtung Schafherde, um sich die nichts ahnenden, aber vermeintlich Glück bringenden Tiere noch links von seinem linken Arm vorstellen zu können.
    Und damit ist der Beweis angetreten, der Sinnspruch erfüllt wirklich seinen Zweck: Denn das Glück ist schon in dem Augenblick perfekt, in dem Günter Netzer trotz dieser Akrobatik am Steuer die Situation unfallfrei übersteht!
    Andere Fußballer glauben wiederum an grüne Kleeblätter. Celtic Glasgow und Rot-Weiß Oberhausen haben die Vierblättrigen sogar im Vereinswappen. Mindestens die Celtic-Fans können mit Fug und Recht behaupten, dass dieser Glücksbringer wirkt, denn der Club gehört seit Jahrzehnten neben den Glasgow Rangers mit Abstand zum Besten, was Schottland fußballerisch zu bieten hat.
    Als Ewald Lienen in Köln Trainer war, wollte er sein hellblaues Hemd mit mehr oder weniger passendem Schlips einfach nicht missen. Selbst als die Erkältungsgefahr im Winter zu groß wurde, konnte er seinen Aberglauben nicht ablegen – und damit auch nicht besagtes Hemd. Er zog schließlich einfach einen dicken Pullover darunter, was ihm in modischer Hinsicht keine Pluspunkte einbrachte und auch fußballerisch eher zweifelhaften Erfolg nach sich zog, denn Köln stieg am Ende doch ab.
    Egal ob Ewald Lienen, Frank Pagelsdorf oder Udo Lattek: Immer wieder gibt es Trainer und Verantwortliche im Fußball, die monatelang bestimmte Kleidungsstücke tragen, weil ihr Team dann angeblich nicht verliert. Zu erkennen ist diese Spezies an folgenden Symptomen: Sie sitzt oft isoliert von ihrer Mannschaft und versucht nach einem Erfolg vergeblich, ihre Spieler zu umarmen!

abgezockt
abgezockt
    1
Zweites Partizip von „abzocken“
: jemanden durch überhöhte Preise finanziell
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