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Schweinskopf al dente - Falk, R: Schweinskopf al dente

Schweinskopf al dente - Falk, R: Schweinskopf al dente

Titel: Schweinskopf al dente - Falk, R: Schweinskopf al dente
Autoren: Rita Falk
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Lieblingsgetränk ist. Nein, gar nicht. Den trink ich höchstens einmal, wenn ich krank bin. Sehr krank natürlich. Aber der hier ist gut. Da gibt’s nix zu deuteln.
    Es hilft aber alles nix, weil: Dienst ist Dienst, drum fang ich jetzt an.
    »Herr Özdemir, es liegt eine Anzeige gegen Sie vor. Von Ihrer Tochter Medine. Die behauptet, Sie wollten sie zwangsverheiraten in der Türkei. Damit liegt der Tatbestand der Nötigung vor. Das macht in unserem wunderbaren Staat eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu langen zehn Jahren. Ist Ihnen das klar?«
    Er fängt wieder an zu schwenken und gießt nach.
    »Herr Kommissar, wenn Sie erlauben, davon verstehen Sie nichts«, sagt er ruhig und freundlich.
    »Das ist mir jetzt aber persönlich vollkommen wurst, ob ich davon was versteh oder nicht. Tatsache ist jedenfalls, dass Sie sich damit strafbar machen«, sag ich jetzt ebenso ruhig, wenn auch nicht ganz so freundlich, und trinke meinen Tee.
     
    Draußen in der Diele läutet das Telefon, wird aber sofort abgenommen. Der Hausherr gießt Tee nach. Und mir schlafen bei dem niedrigen Gehocke langsam, aber sicher die Haxen ein.
    »Sehen Sie, Herr Kommissar, meine Tochter Medine ist mein kleiner Engel. Sie war schon immer mein kleiner Engel. |17| Gehorsam, brav, klug   …« Er schaut ganz versonnen in sein Teeglas, sagt eine Weile nichts, und weil mir zwischenzeitlich auch nichts einfällt, fährt er schließlich fort.
    »Ja, klug war sie wirklich. Das war wahrscheinlich auch das Unglück daran. Wissen Sie, Herr Kommissar, wir leben seit über zwanzig Jahren hier in Ihrem großartigen Land. Meine Kinder sind hier zur Welt gekommen und auch zur Schule gegangen. Medine war eine kluge Schülerin. Sie hat das Abitur gemacht. Und hat sich dafür noch nicht einmal besonders anstrengen müssen.«
    Er legt wieder eine Gedenkminute ein, und ich trink derweil meinen Tee.
    »Ja«, sag ich dann, weil wir so gar nicht weiterkommen. »Das nutzt Ihnen aber jetzt auch nichts. Selbst wenn das Mädchen noch so gescheit ist, kann man sie nicht so einfach mit jemandem verkuppeln, verstehen Sie? Zumindest nicht bei uns da.«
    Der Özdemir steht auf und geht zum Wohnzimmerschrank. Holt ein Album heraus und setzt sich wieder hin. Darin blättert er kurz und nimmt dann ein Foto heraus.
    »Medine«, sagt er und reicht es mir rüber.
    Jesus Christus!
     
    Ich muss mich kolossal zusammenreißen, hier nicht das Schreien zu kriegen. Auf Anhieb wird mir klar, warum dem Özdemir diese Heirat so wichtig ist.
    Mein kleiner Engel.
    Der arme Mann.
    Hat eine Tochter, die ausschaut wie der Glöckner von Notre Dame. Oder zumindest wie eine Schwester davon. So was hat auf dem freien Markt natürlich keine Chance. Nicht die geringste.
    »Sie studiert Politik«, sagt der gepeinigte Vater jetzt. Sie |18| studiert also. Na, wenigstens etwas. Da ist ja noch nicht Hopfen und Malz verloren. Weil, sagen wir einmal so, hässlich sein allein reicht eben nicht aus, gell. Da muss man sich schon noch was anderes einfallen lassen. Schließlich muss man ja irgendwann einmal von irgendwas leben. Und wenn man keinen Mann abkriegt, muss man halt seine Kohlen selber verdienen. Außerdem lenkt so ein Studium ja auch ungemein ab. Sogar vom eigenen Spiegelbild.
     
    Der Fußballgott kommt ins Zimmer und macht ein betretenes Gesicht. Sein Vater deutet ihm an, sich hinzusetzen, und er gehorcht.
    »Was ist los?«, fragt er den Sohnemann.
    Der senkt seinen Blick genau auf das herrliche Teppichmuster.
    »Hassan hat angerufen«, sagt er.
    Der Özdemir nickt.
    Der Jüngere hebt kurz den Kopf, lässt ihn aber gleich wieder plumpsen.
    »Hassan möchte keine Heirat mehr«, sagt der Murat dann weiter. »Er hat sich mit Medine getroffen und ausgesprochen.«
    Pause. Beide schweigen.
    Ich schau hin und her zwischen den betretenen Gesichtern, und mir schwant etwas.
    »Wie lange haben sich denn der Hassan und die Medine nicht mehr gesehen?«, muss ich jetzt wissen.
    »Sie haben sich überhaupt noch nie gesehen«, sagt der Murat.
    Ja, das war ja eigentlich klar.
    »Wunderbar«, sag ich und quäl mich aus den tiefen Polstern. Meine Beine kribbeln, ich kann sie kaum mehr spüren. »Dann hat sich das ja wohl erledigt, mit der Anzeige, |19| gell. Weil: wenn beide nicht mögen, dann wird’s ziemlich schwierig, Herr Özdemir.«
    Aber ich glaub, er hört mich schon gar nicht mehr. Er hält die Hand vor die Augen und hat den Kopf gesenkt. Schaut vermutlich das herrliche Teppichmuster an. Da weiß ich jetzt gar
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