Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schweig wenn du sprichst

Schweig wenn du sprichst

Titel: Schweig wenn du sprichst
Autoren: Roel Verschueren
Vom Netzwerk:
und hockte sich hin.
    »Nein, Papa!«, rief Moira von der obersten Stufe. »Ich kann das allein. Geh weg!«
    Victor stand auf und ging zu Lilly: »Ich gehe kurz spazieren.«
    »Komm schon, nicht jetzt. Du brauchst nicht wegzurennen. Ich möchte dir nur helfen.«
    Victor setzte sich wieder neben Lilly.
    »Du erwartest von deinem Vater eine Perfektion, die kein Vater aufbringen kann. Du bist härter zu ihm, als du je zu dir selbst wärst.«
    »Vergiss es, Lilly, du hast keine Ahnung davon, wie ich mit meinen Fehlern umgehe.«
    »Aber arbeitest du denn daran? Oder suchst du in deinem Vater eine Entschuldigung, um deinen eigenen Fragen aus dem Weg zu gehen?«
    Lilly hob ihre Zeigefinger und machte Anführungszeichen in die Luft: »Wenn er auch falsch lag, bei mir geht es noch«, sagte sie. »Ist es das?«
    Victor schüttelte den Kopf und schwieg.
    Lilly gab nicht auf. Sie hob erneut ihre beiden Zeigefinger in die Luft und machte Anführungszeichen: »Also: Er hat sieben Jahre lang meine Mutter sitzengelassen. Ich habe jemanden sitzengelassen. Er glaubte an eine bessere Zukunft, ich glaubte an eine bessere Zukunft … Du kannst diese Dinge und diese Entscheidungen doch nicht miteinander vergleichen! Selbst du weißt das.«
    »Die Last wird dadurch nicht geringer«, sagte Victor.
    »Das ist das Einzige, was ich verstehe«, sagte Lilly. »Und ich habe auch nicht gesagt, dass es einfach ist.«
    »Weißt du … Ich bin eigentlich mit diesem Thema mehr im Reinen als du denkst. Ich weiß sehr wohl, dass Albert irgendwann in seinem Leben gelernt hat, mit seinen Entscheidungen zu leben. Ich meine, mein Vater hat die Folgen seiner Entscheidungen akzeptiert und sie standen seinem Neubeginn nicht im Wege. Das ist bei mir, wenn ich so darüber nachdenke, eigentlich nicht anders.«
    Lilly dachte nach. »Dann geht es im Grunde also nur noch um dich und deine Mutter?«
    »Letzten Endes … schon«, sagte Victor nach einer Weile.
    »Dann ist das vielleicht das Letzte, wonach du suchen musst, um alles so akzeptieren zu können, wie es ist.«
    »Vielleicht nicht das Letzte, aber wahrscheinlich das Schwierigste«, sagte Victor.
    »Gönn dir zuerst etwas Ruhe, Victor. Nicht nur um deiner selbst willen.«
    »Weiß ich«, sagte Victor. »Ich glaube, ich gehe nach Hause und fange an zu kochen. Das bringt mich auf andere Gedanken. Ich rufe dich an, zehn Minuten bevor das Essen fertig ist, Okay?«
    »He … Ist alles okay zwischen uns?«
    Victor ging auf Lilly zu und küsste sie. »Sehr okay«, sagte Victor.
    »Kannst du, wenn du zu Hause bist, ein paar T-Shirts vom Balkon holen? Die sind jetzt bestimmt trocken.«
    »Mache ich.« Er zeigte auf Moira, die nochmals die Rutsche hinunterglitt. »Ich wünschte, ich hätte ihren Mut«, sagte er.
    »Den hat sie von uns«, sagte Lilly. »Also auch von dir!«
    Victor trat auf den Balkon, fand aber keine T-Shirts. Es schaute nach unten, nahm sein Handy und wählte Lillys Nummer. »Wie hast du das hingekriegt?«, fragte er, als Lilly dranging.
    »Mit viel Geduld, einer kleinen Recherche und einem guten Holzfäller«, sagte sie.
    »Wow, was für eine Aussicht. Eine große Erleichterung. Ich wusste, dass du recht hast.«
    »Aussicht auf Einsicht. Vielleicht hilft es dir weiter. Ein Geschenk von Moira und mir.«

32
    Victor kam aus der Dusche und hörte die Nachricht auf seinem Handy ab. Er rannte in den Flur und rief: »Lilly! Lilly?«
    Lilly kam aus der Küche und fragte: »Was ist? Wir sind hier. Was soll die Panik?«
    »Ich muss nach Belgien.«
    »Kannst du mir vielleicht mal sagen, was passiert ist? Du bist ganz bleich, trockne dich doch erst mal ab! Du erkältest dich noch!«
    »Jozef hat nur gesagt, dass ich kommen soll, lieber heute als morgen, und dass er nicht am Telefon erklären kann warum. Er holt mich am Flughafen ab, ich soll ihm eine SMS schicken, wann ich hier abfliege.«
    »Ja, dann geh! Zieh dich an, ich lege dir ein paar Klamotten hin, ich packe deinen Koffer. Möchtest du, dass ich im Internet einen Flug buche?«
    »Ich glaube, es geht schneller, wenn du anrufst. Versuch den Flug um elf Uhr mit den Brussels Airlines zu bekommen, den kann ich gerade noch schaffen.«
    »Ich rufe an, mach du dich bereit.«
    »Danke. Danke, Schatz.«
    Victor schickte Jozef eine Nachricht und stieg über das Gate ins Flugzeug. Die Stewardess am Check-in-Schalter war nett gewesen. Er saß allein in einer Dreierreihe. Er legte die Akte seines Vaters auf den Sitz neben sich, zog seinen Sicherheitsgurt fest und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher