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Schwarzwaldstrand

Schwarzwaldstrand

Titel: Schwarzwaldstrand
Autoren: Stefan Alexander · Ummenhofer Rieckhoff
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grüßt der Schwarzwälder
    Es war nun fast zehn Uhr und die Hitze bereits unerträglich. Hubertus sollte »mal noch eben schnell« ein paar Brötchen im Campingladen einkaufen gehen. Elke würde derweil den Tisch decken und versuchen, Martina wach zu bekommen.
    Er schnappte sich das kleine Klapprad aus dem Wohnwagen, das bei jeder Tretbewegung quietschte, als würde es unter Hubertus’ Gewicht stöhnen.
    Das Vorankommen war eher mühselig. Das »mal eben schnell« relativierte sich aber nicht nur deshalb.
    Â»Jo, Hubertus, ha, des isch jetzt aber ä Überraschung«, hörte er jemanden rufen, als er auf die von Pinien gesäumte Hauptstraße des Campingplatzes einbog. Familie Seiler, die ein paar Häuser weiter in der Villinger Südstadt wohnte, war begeistert, ihren Nachbarn »ausgerechnet hier« zu treffen.
    Frau Seiler, die immer wieder vorgab zu wissen, was sich Neues im Städtle und im Viertel zutrug, ließ Hubertus natürlich nicht ohne das obligatorische Schwätzle weiterziehen. Er beendete deren Redeschwall schließlich mit einem bestimmten »Ich muss jetzt leider. Ade!«
    Â»Mer sieht sich!«
    Es würde vermutlich schwer sein, der Seiler dauerhaft aus dem Weg zu gehen, ärgerte sich Hummel. Die Welt war klein auf so einem Campingplatz. Kleiner als in Villingen. Deutlich kleiner!
    Hubertus schaffte es nur wenige Meter weiter, als er sich an den Film »Und täglich grüßt das Murmeltier« erinnert fühlte.
    Alles wiederholte sich. Immer wieder. Schrecklich!
    Und minütlich grüßt der Schwarzwälder, lautete der neue Titel.
    Â»Jo, Hubertus, du hier, des gibt’s jo gar nit!« Es war die Stimme des Lehrerkollegen Hoffmann. Chemie.
    Â»Wusst gar nit, dass du auch än Camper bisch.«
    Â»Hallo. Bin ich ja auch nicht. Ist das erste Mal. Muss zum Einkaufen. Familie hat Hunger«, antwortete Hubertus stakkatohaft in der Hoffnung, schnell weiterzukommen. Doch die Hoffnung war vergebens, seine Fahrt auf dem Klapprad nun ein ständiges Stop-and-go, die Grußrituale wurden zur Endlosschleife.
    Der Campingplatz-Geheimtipp hatte sich in der Heimatstadt wohl noch weiter herumgesprochen.
    Â»Herr Hummel, Sie hier?«, begrüßte ihn nach und nach insgesamt ein halbes Dutzend entfernter Bekannter. Bemerkenswert war dabei, dass darunter sogar einige waren, die ihn zu Hause kaum eines Blickes würdigten, nun aber begeistert so taten, als sei es ein kleines Weltwunder, dass man sich hier, Hunderte Kilometer von Villingen-Schwenningen entfernt, zufällig träfe.
    Und man müsse sich abends unbedingt mal zu einem »vino rosso« treffen. Musste man keineswegs, wenn es nach Hubertus ging.
    Spätestens im Supermarkt wunderte ihn überhaupt nichts mehr. Denn ihm schwante, warum alle hierher fuhren.
    Die einheitlich in gelb-weißen Schürzen und mit dazu passenden Schiffchen auf dem Kopf herausgeputzten Verkäuferinnen begrüßten die Leute nicht mit dem obligatorischen »Buongiorno«, sondern mit »Guten Morgen«. Diesmal fühlte sich Hummel an einen anderen Film erinnert: »Man spricht deutsh.« So lautete wohl auch das buchstäbliche Motto des Campingplatzes.
    Â»Hundertfünfzig Gramm gekochten Schinken? Sehr gerne. Darf’s noch etwas sein?«, trällerten die überfreundlichen Verkäuferinnen fast akzentfrei. Einzig das Ciabatta neben dem Vollkornbrot und die acht Salamisorten neben der Lyonerwurst wiesen darauf hin, dass man sich nicht in Deutschland befand.
    Vor der Frischtheke bildete sich eine lange Schlange, die ein Dialektwirrwarr von Niederbayrisch bis Norddeutsch von sich gab. Mittendrin: Schwarzwälderisch.
    Hubertus stellte sich an und war zunächst erleichtert, dass er keinen weiteren Bekannten aus der Heimatstadt vor sich entdecken konnte. Für heute war sein Plauderbedarf gestillt.
    Und als er an der Reihe war, war er sogar ganz froh, dass er sich die Zunge nun nicht mit seinen paar Bröckchen Italienisch abbrechen musste, sondern ganz einfach wie im heimischen Supermarkt bestellen konnte: »Zweihundert Gramm, ach nein, lieber dreihundert Gramm von der Mortadella bitte. Und vierhundert Gramm vom gekochten Schinken.«
    Es musste an der Luftveränderung oder am Frühsport liegen: Hubertus hatte einen Mordshunger.
    Ein Mann an der benachbarten Käsetheke war etwas bescheidener und gab sich bei der Bestellung auch mehr Mühe als
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