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- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Autoren: Tobias Radloff
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die Wahl gestellt hätte, hätte er sich sofort für sein altes langweiliges Leben im PC-Baang entschieden. Er hatte all das nicht gewollt, aber jetzt stand er kurz davor, der Schreckensherrschaft des IKM ein Ende zu bereiten, und wenn er diese Chance vergab, würde es keine zweite geben. Viele Unschuldige würden leiden, so wie Cassandro, Rebekka und er gelitten hatten. Er hatte die Pflicht, standhaft zu bleiben, also hielt er den Abzug gedrückt und ließ erst dann los, als er merkte, wie heiß die Raygun in seinen Händen geworden war.
    Er sah zu Westphal hinunter. Seine verkrümmten Hände schabten über den Boden, und aus seinem Mund troff Speichel. Er schien um zwanzig Jahre gealtert zu sein.
    »Das Passwort«, forderte Meph.
    Westphals Lippen bewegten sich.
    »Wir können dich nicht hören!«
    Westphals Gesicht verzog sich zu einer angestrengten Grimasse, aber seine Stimme gehorchte ihm nicht. Seufzend ging Meph neben ihm in die Hocke. »Willst du mir das Passwort sagen?«
    Westphal nickte.
    »Gut. Sag es mir ins Ohr. Und wenn das ein Trick ist …«
    Westphal schüttelte verzweifelt den Kopf. Meph ging auf die Knie und näherte sein Ohr dem Mund des Ministers. Als er nahe genug war, hauchte dieser ein einzelnes Wort: »Konstantin …« Dann wurde er von einem Hustenanfall geschüttelt.
    »Groß oder klein geschrieben?« Meph stieß ihn mit dem Fuß an. »Sag schon!«
    Zitternd malte Westphal ein großes K auf den Boden.
    Meph sprang triumphierend auf. »Ich habe das Passwort!«, rief er in die Kamera. »Westphal ist besiegt. Die Zeit der Geheimnisse geht zu Ende.«
    Er rief die verschlüsselte Datei auf. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er das Passwort Buchstabe für Buchstabe eingab, um sich nicht zu vertippen. Er drückte Enter, und keine Sekunde später öffnete sich ein Verzeichnis mit Dutzenden von Bilddateien. Aufgeregt öffnete Meph eine davon. Der Projektor zeichnete einen lachenden, zwei oder drei Jahre alten Jungen mit roten Haaren in die Luft. Im Hintergrund thronten Berggipfel.
    »Was soll das? Wo ist Ephraim?« Mit wachsender Verwirrung rief Meph weitere Bilder auf. Es waren Fotos von dem Jungen und einer recht hübschen Frau, offenbar seiner Mutter, während eines Urlaubs in den Bergen. Meph klickte sich durch die Fotos, bis er auf eines stieß, das noch eine dritte Person zeigte. Diese hatte noch keine grauen Haare und keine versehrten Hände, aber Meph erkannte Westphal auf Anhieb.
    »Du hast eine Familie?«, sagte er irritiert in Richtung des Ministers. »Ich dachte, du hast deine Frau verlassen.«
    »Ja. Ihretwegen.« Westphals Blick ruhte auf dem Bild. Er war mehr tot als lebendig, aber für einen Moment glitt ein Lächeln über sein Gesicht. Er war so heiser, dass man ihn kaum verstehen konnte, und musste immer wieder husten. »Zuerst … war sie nur eine Affäre. Dann wurde es Liebe. Schließlich kam Konstantin. Ich … bekannte mich nicht zu ihnen. Ich wollte es tun, aber im Wahlkampf konnte ich kein uneheliches Kind gebrauchen. Und damals war ständig Wahlkampf.«
    »Damals?«
    Westphal richtete sich ein wenig auf und lehnte sich gegen den Sessel. »Vor dem Anschlag. Ich hatte alles geplant: meinen Abschied aus der Politik, die Scheidung. Ich hatte sogar schon ein Haus in Österreich gekauft. Man sieht es auf den Bildern. Dann kam der 16. Oktober. Wir hatten uns auf dem Alex zum Essen verabredet. Ich verspätete mich, und als ich endlich ankam, da war … war schon …« Seine Stimme versagte.
    Meph beobachtete Westphal, wie er mit der Hand sanft über seine Augenwinkel wischte. Schließlich fasste der Minister sich wieder. »Ihre Lungen waren voller Rauch. Sie überlebten den Einsturz und die Hitze, nur um kurze Zeit später zu ersticken. Doch am meisten schmerzt mich, dass es anders hätte kommen können. Wenn ich mich rechtzeitig entschieden hätte, wären wir aus Berlin weggezogen, bevor … Sie könnten beide noch leben.«
    »Also ist das dein großes Geheimnis. Eine heimliche Geliebte?«
    »Ja.«
    Meph seufzte. »Ich glaube dir nicht.«
    Westphal zuckte die Achseln. »Natürlich nicht.«
    »Dann weißt du auch, warum nicht. Oder willst du mir weismachen, du hättest die Raygun über Minuten hinweg ertragen, nur um eine tote Frau und ein Kind zu schützen? Unsinn. Du hast es getan, weil du die Wahrheit über Ephraim kennst!«
    »Nein. Ich tat es, weil ich wusste, dass du nicht aufhören wirst, selbst wenn ich dir das Passwort gebe.«
    »Und du hattest recht. Ich höre nicht
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