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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag
Autoren: Günther Bentele
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trat an das Feuer, krumm, hinkend und so langsam, dass es fast feierlich aussah. Umständlich öffnete er seinen Umhang, zog den Strick, der sein Hemd zusammenhielt, auseinander, dass es herabfiel und den Blick auf den Oberkörper freigab. Er hob die Arme sehr sehr langsam ein kleines Stück an.
    Christoph schrie laut auf, die beiden Hirten hatten die Augen aufgerissen: Im Schein des Feuers waren Achseln und Schultern unförmig blaurot verschwollen, schwarz und dick stand es in den Achselhöhlen, eine braune Blutbahn zog sich zum Bauch hinunter.
    Schweigen.
    »Aufgezogen haben sie dich«, sagte Hetz langsam, »die Arme auf den Rücken gebunden und dann hochgezogen, erster Grad, dann ein Gewicht an die Füße gehängt, zweiter Grad, dann schwereres Gewicht, dritter Grad – «
    Christoph stand und starrte noch immer.
    Der ältere Hirte sagte mit unsicherer Stimme: »Setzt euch an das Feuer. Hier unter das Vordach, da kann der Wind den Regen nicht so hinwehen.«
    Hetz stand auf: »Aber das sage ich euch, was ihr esst, wird bezahlt! Dass das klar ist.«
    »Lass sie zufrieden. Die haben doch kein Geld!« Die beiden bekamen zu essen und zu trinken. Aber keiner der beiden Hirten berührte sie.
    Der Regen rauschte in den Bäumen.
     
     
    Die Kerzen flackerten in dem kostbaren Zimmer. Man hörte, wie der Regen von den Dächern tropfte. Ein kühler Luftzug war im Raum. Einer der beiden Kaufleute schloss das Fenster.
    »Er weiß alles und er lebt!«
    »Er lebt als Gerichteter, als Geächteter. Er kann uns nicht mehr schaden als ein Toter.«
    »In diesem Fall habe ich auch Angst vor Toten.«
    »Mach dich nicht lächerlich.«
    »Der Graf.«
    »Der weiß nicht, was er tut.«
    »Er ist ihm dankbar, weil er ihm vor drei Jahren Geld geliehen hat.«
    »Hör zu. Er lebt und wir haben versprochen, dass er sterben wird.«
    Ganz nah hörte man eine Glocke von der Stuttgarter Stiftskirche läuten.
    »Du wirst doch nicht – «
    »Wir haben versprochen, dass er stirbt. Und als wir das versprochen haben, wussten wir noch nicht einmal, was er wirklich wusste.«
    »Wir hatten nur den Verdacht.«
    »Jetzt wissen wir es genau, er hat die Zahlen gesagt, er hat sie uns zugerufen. Unser Schlag muss überraschend erfolgen. Also?«
    »Ja, wenn es nicht anders geht.«
    »Es geht nicht anders.«
    »Du weißt, wovon du redest?«
    »Du weißt, dass du es nicht selbst machen musst.«
    »Ja dann – und wo? Wo sind sie hingegangen?«
    »Du weißt es.«
    Stille.
    »Wo würdest du hingehen? Er kennt die Zahlen.«
    »Ja, du hast Recht.«
    »Halt! Wir müssen alle beide –!«
    »Er ist doch aber noch ein Kind.«
    »Aber er weiß. Der Vater sagt es ihm.«
    »Also beide.«
     
     
    Der Nebel hing in den silbernen Spinnennetzen und in den gelben Bäumen.
    Der Alte schien sich in der Nacht etwas erholt zu haben, er wirkte lebendiger als am Abend. Dennoch war jede Bewegung sehr mühsam. Aber sein Gesicht war nicht mehr so bleich und steinern. »Könnt ihr uns etwas mitgeben für den Tag, etwas Brot und vielleicht auch etwas Käse?« Die Stimme zitterte.
    Nur Hetz war da. »Wie wär’s denn mit einer gebratenen Gans für die Herren oder mit einer Bratwurst? Darf es auch ein Schluck Wein sein? – Oder wie wär’s mit einer Pastete? Das seid ihr Herren doch gewohnt.«
    »Man soll Unglück nicht verhöhnen!«
    »Des einen Unglück ist des anderen Glück: Ihr werdet bezahlen für Speis und Trank, für jeden Brotkrümel, meine Herren.«
    »Wir können nicht bezahlen.«
    »Aber sicher doch. Was hat denn das Söhnchen da für ein hübsches Wämschen an. So eines wollte ich schon lange haben.«
    Der Alte richtete sich auf. Christoph; dem das Blut ins Gesicht geschossen war, und der bereits abschätzte, ob er mit dem Hirten fertig werden konnte, staunte: Es war fast so, als wäre der Vater heil und unversehrt.
    »Gut, dann machen wir einen Handel«, sagte der mit fester Stimme und ging auf den Hirten zu, wobei sich sein Gesicht etwas verzog, »das Wams wird dir kaum passen!« Der zottige Hund knurrte.
    »Passen oder nicht, meinst du, ich hüte darin die Schafe? Das wird so schnell wie möglich verkauft und läuft durch die Gurgel. Her damit! Er kann mein altes Zeug dafür haben.«
    Immerhin schlug der alte Kaufmann noch einen Laib Brot, ein Stück Käse und ein Säckchen mit Hafer heraus. Und als Hetz verschwunden war, stellte Christoph fest, dass er die Schuhe behalten hatte.
     
     
    »Jetzt sind wir wirkliche Bettler«, sagte der Vater.
    Wieder ging er nur sehr
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