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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag
Autoren: Günther Bentele
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rußige Hände, in meine Herberge und wollte mich unter vier Augen sprechen. Ich war aber nicht allein. Ich trank mit einigen Straßburger Geschäftsfreunden Wein und wir redeten über den Handel. Du weißt, dass man in einer solchen Runde die besten Geschäfte machen kann.«
    Christoph sah den Vater vor sich, wie er ihn oft gesehen hatte: den stattlichen Kaufmann, den jedermann grüßte in seinem reichen Gewand. Er erinnerte sich noch, wie der Vater damals weggeritten war, begleitet von zwei Knechten, und wie eine Nachbarin gesagt hatte: »Du kannst stolz sein auf deinen Vater, ein prächtiger Mann, er sitzt zu Pferde wie ein Ritter.« Und jetzt –
    »Nun, ich wies den Mann ab.«
    Der Vater hustete, wobei er die Hand zum Mund führen wollte, es aber vor Schmerz nicht konnte. Auch das Husten musste schrecklich sein. Er war bleich geworden und die Stirn war bedeckt von Schweißtropfen.
    »Es war schwer, ihn abzuweisen: Es sei ganz außerordentlich wichtig, wenn ich ihn nicht anhöre, geschehe ein schreckliches Unglück. Er kam mir wirklich sehr ungelegen, ein größeres Geschäft stand unmittelbar vor dem Abschluss – weshalb ich ihn nun mit deutlichen Worten abwies, man kann fast sagen, hinauswarf. Weshalb sollte ich mich stören lassen? Er beschwor mich geradezu, ich solle ihn doch um des Himmels willen anhören, alles Glück der Welt stehe auf dem Spiel. Es hätte nicht viel gefehlt und er hätte sich auf die Knie geworfen.«
    Er hielt erschöpft inne und atmete schwer.
    »Und weiter? Was wollte der Mann sagen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber die Kaufleute in meiner Kammer waren aufmerksam geworden. Als jetzt einer herauskam mit offenem Mund – wie es mir schien, zu Tode erschrocken –, wandte sich der Mann rasch zur Türe. Aber der Kaufmann sprang blitzschnell auf ihn zu und wollte ihm einen Pergamentstreifen, den ich gar nicht bemerkt hatte, aus der Hand reißen. Der fiel zu Boden und ich habe ihn aufgehoben. Sofort wurde er mir aus der Hand gerissen.
    Meine Gäste waren wie verwandelt: Das Geschäft, das kurz vor dem Abschluss stand, kam nicht zustande und sie verabschiedeten sich schnell.
    Am anderen Tag war ein Essen in der Straßburger Kaufmannsgilde, wo ich schon oft zu Gast war. Ich sage dir: Schlechter ist noch kein Gast behandelt worden. Nun, sie waren höflich. Daran fehlte es nicht. Aber es war eine kalte Höflichkeit, die einem den Atem benahm und den Appetit verdarb. Es ging von wenigen führenden Kaufleuten aus, drei waren aus Straßburg. Zwei waren aus Stuttgart. Und beide haben mich gestern als Richter zum Tode verurteilt.«
    »Aber warum das alles? Was war das für ein Schmied? Was war das für ein Pergament, stand etwas darauf?«
    »Den Schmied habe ich nicht mehr gesehen. Man drängte auf meine Abreise. Ich habe es zuerst gar nicht bemerkt. Ein Geschäft wurde mir empfohlen auf dem Heimweg in Pforzheim abzuschließen, das sei sehr lohnend, aber eilig. Überflüssig zu sagen, dass da nichts war in Pforzheim.«
    »Und der Pergamentstreifen?«
    »Den konnte ich lesen, als ich ihn vom Boden aufhob. Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis für Zahlen, wie jeder Kaufmann, deshalb habe ich mir die Zahlen gemerkt. Es standen auch Wörter dabei, aber ich habe nur auf die Zahlen geachtet.«
    »Fünfundsiebzig – fünfzehn – zehn.«
    »Ja.«
    Der Vater atmete schwer.
    »Und was bedeuten diese Zahlen?«
    »Wenn ich das wüsste. Schade, dass ich die Wörter, die bei den Zahlen standen, nicht gelesen habe, es war eine flüchtige, schwer lesbare Schrift – ich konnte ja nur einen winzigen Blick auf das Pergament werfen. Aber offenbar ist es etwas sehr, sehr Wichtiges und etwas sehr Geheimes, wenn sie dafür nachts gefälschte Gewichte austauschen und Menschen hinrichten lassen.«
    »Kann es so etwas überhaupt geben?«
    Langes Schweigen.
    »Du kannst mir glauben, ich habe mir im Gefängnis den Kopf zermartert, dass ich schier wahnsinnig geworden bin. Aber ich bin keinen Schritt weitergekommen.«
    »Zauberei?«
    »Weißt du, ich kann nicht so recht glauben an Zauberei. Was könnte es sonst sein? – – Fünfundsiebzig – fünfzehn – zehn.«
    Er schwieg wieder lange.
    »Mit Zahlen soll man ja zaubern können – «
    »Es wird gesagt. Aber ich habe noch nie jemanden getroffen, der wirklich zaubern konnte.«
    »Werden Zauberer nicht verbrannt? – Es heißt, dass die Templer in Frankreich, die sie vor vierzig Jahren verbrannt haben, hätten zaubern können«, sagte Christoph.
    »So heißt es. Andere aber
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