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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag
Autoren: Günther Bentele
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es war üblich, dass Kaufleute einander halfen, und Kaufleute aus einer anderen Stadt galten den Einheimischen als Gäste. Jeder Trick war recht dem anderen ein Geschäft wegzunehmen, ja, ihn sogar geschäftlich zu ruinieren, wenn er dumm genug war. Aber ihn körperlich zu vernichten, das vertrug sich nicht mit der Ehre des Kaufmannstandes. Das war ganz undenkbar.
    Dennoch war es hier geschehen.
    So reichte das Streben nach Gewinn nicht als Erklärung aus. Es war auch kein Geschäft zu erkennen, das sie damals auf seine Kosten hätten machen können, indem sie ihn ausschalteten. Er überschaute alle wichtigen Geschäfte, die es damals gab, aber keines würde ein solches Verbrechen erklären. Sein geschäftlicher Tod schaffte vielen Kaufleuten einen gefährlichen Konkurrenten vom Hals, viele schuldeten ihm Geld. Dennoch musste noch sehr viel dazukommen, bis ein derartiges Verbrechen geschah.
    Was war das Hauptmotiv des Verbrechens? Da konnte er sich nur Macht denken! Nach Reichtum streben durfte jeder Mensch, wenn auch nicht auf verbrecherische Weise. Auch nach Macht durfte man streben, vor allem wenn man ein Fürst oder ein hoher Kleriker war. Aber Streben nach Macht, um Reichtum zu erlangen, oder Reichtum, um Macht zu erlangen – das sah er deutlich: Das konnte jeden zum Verbrecher machen. Ein solches Streben nach Macht musste hinter den drei Zahlen stecken.
    Es musste eine gewaltige, eine riesengroße Macht sein, wenn solche Verbrechen dafür begangen wurden.
     
     
    Das Wort Schwarzwald klang gefährlich. Christoph kannte selbst die Wälder um Stuttgart kaum. Es sollte dort tiefe, geheimnisvolle Stellen geben, die man besser mied. Kinder seien dort am hellen Tag einfach verschwunden, erzählte man sich. Schlief man ein im Wald, so kamen Libellen und nähten einem Lippen und Nase zu, dass man ersticken musste. Auch in den Feldern um Stuttgart konnte es gefährlich sein. In den Ährenfeldern lauerte die Kornmuhme und zog einen unter die Erde. Die Regenfrau sang in den Wiesen am Neckar und verwirrte die Wanderer.
    Viel wurde vom Schwarzwald erzählt. In den großen Waldschluchten lebten gefährliche Tiere, wie Wölfe, Bären, Luchse, Füchse und Wildschweine, die Menschen fraßen. In solchen Wäldern hausten böse Geister. Zwerge saßen an den Wurzeln der Bäume und führten Wanderer in die Irre, ebenso wie die Irrlichter, die bei nächtlichen Gewittern in den Mooren tanzten. Riesen brachen nachts Bäume und stürzten sie auf Menschen. In den Klüften hausten Dämonen, die Kinder einfach mitnahmen, durch die Lüfte entführten und sie in einem fernen Land zu Sklaven machten. Nachts brannten in diesem riesigen Wald geheimnisvolle Feuer, von denen niemand wusste, wer sie angezündet hatte und wozu. Er wusste vom Mummelsee, einem pechschwarzen See, unter dessen Wasseroberfläche man am hellen Tag die Hände von Geistern rudern sehen konnte. Warf man einen Stein in diesen See, so brachen fürchterliche Unwetter los.
    Er war kein Kind mehr und er wusste, dass nicht alles stimmte, was in den Märchen und Geschichten zu hören war. Aber sicher war vieles richtig.
    So war es auch mit diesen rätselhaften Zahlen. Es konnte sich ja nur um Zauberei handeln – was der Vater unbegreiflicherweise bezweifelte. Aber wer zaubern konnte, der hatte Macht über Geister und Menschen. Wenn er, Christoph Schimmelfeldt, zaubern könnte! Zuerst würde er den Vater gesundzaubern, dann würde er schlimme Krankheiten auf die Menschen hetzen, die sie zu Bettlern gemacht hatten und die sie umbringen wollten und vielleicht auch jetzt noch umzubringen versuchten. Wenn man doch nur schon in Straßburg wäre!
    »Vater, wann sehen wir denn die ersten Berge, die zum Schwarzwald gehören?«
    »Wenn wir von Straßburg aus kommen würden, dann stünden sie längst wie eine mächtige Wand vor uns. Aber von dieser Seite hier gehen wir in den Schwarzwald eigentlich zuerst hinunter, weil wir höher sind als die Täler des Schwarzwalds.«
    »Müssen wir durch den ganzen Schwarzwald?«
    »Ein großes Stück, weil wir uns verstecken müssen.«
    »Ist es im Schwarzwald wie in der Via Mala, von der du uns so oft erzählt hast?«
    »Es gibt auch im Schwarzwald Schluchten. Aber sonst ist der Schwarzwald ganz anders als die Alpen und die Via Mala. Die Berge im Schwarzwald sind anders, nicht spitz, sondern lang gestreckt wie Särge. Felsen gibt es kaum.«
    »Und Räuber?«
    »Alle Menschen meinen seltsamerweise, dass die bösen Menschen in den Wäldern seien. Ich
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