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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag
Autoren: Günther Bentele
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möchte nicht sagen, dass es im Schwarzwald ganz ungefährlich ist, aber ich habe die schlimmsten Menschen in Städten getroffen.«
    »Ich war noch nie allein im Wald!«
    »Du wirst auch jetzt nicht allein sein.«
     
     
    Der Ausblick war gewaltig. Unter einem düsteren Himmel stiegen Rauchsäulen über Waldschluchten und Tälern in die graue Luft. Der Rauch hockte zwischen den Bäumen und lastete auf den Lungen. Der Blick war trotz des Dunstes und der rauchigen Luft weit. Hintereinander lagerten sich fahle Höhenzüge. Am äußersten Rand war ein gelber Streifen.
    Tagelang waren sie im Nebel gewandert. Zuerst ging es endlos hinab, Christoph musste den Vater stützen, dann kam ein furchtbarer Anstieg, der den Vater fast alle Kraft gekostet hatte. Zwei ganze Tage waren sie anschließend auf schmalen Pfaden durch endlose Wälder und große Moore gegangen. Christoph glaubte, sie hätten damit den Schwarzwald überwunden. Aber der Vater sagte, die höchsten Bergkämme lägen noch weit vor ihnen.
    Immerhin hatten sie zum ersten Mal freien Blick.
    Wo sie standen, war Viehweide mit schwarzen Pfützen und verwelkten Stauden und Kräutern. Am Abhang, über den sie hinunterschauten, wuchs ein schütterer Wald mit Dickicht von Büschen. Noch weiter unten ragten breite Kronen von dunklen Tannen. Wo die Rauchsäulen aufstiegen, war ab und zu Licht von Feuern.
    Christoph fragte atemlos: »Die vielen Feuer, was ist das?«
    Er erinnerte sich an die Bäche, die ihnen hangaufwärts entgegengeströmt waren: Ihr Wasser war nicht hell wie das des Neckars. Es hatte eine ungesunde schwarzbraune Farbe, die eher an Jauche erinnerte. Christoph hatte sich fest vorgenommen, von diesem Wasser um keinen Preis zu trinken.
    Der Vater war wie so oft ganz abwesend: »Die Feuer, da brauchst du keine Angst zu haben, das sind Köhler, die brennen Kohle. Du kennst ja die schwarzen Kohlenstücke, die auf dem Stuttgarter Markt verkauft werden. Man macht sie aus Holz. Weiter im Süden machen sie auch Glas, auch da gibt es viele Feuer. Fast der ganze Schwarzwald ist voller Rauch.«
    »Und das dunkelbraune Wasser, kommt das auch von den Köhlern?«
    »Ja, man könnte meinen, es sei Ruß darin. Aber es läuft so aus dem Boden.«
    »Ich trinke keinen Schluck davon.«
    »Dann musst du verdursten. Es gibt im Schwarzwald kein anderes Wasser, das kommt von den vielen Mooren.«
    Christoph erinnerte sich an die gefährlichen Wanderungen über die Moore auf den Höhen. Düster war es gewesen, keinen Schritt durfte man von einem Weg aus Knüppeln abweichen, sonst wurde man vom Moor verschluckt. Weißlicher Dunst stand zwischen den Bäumen. An vielen Stellen war offenes Wasser, schwarz, dazwischen schimmerten die Skelette abgestorbener Bäume. Manchmal flatterte plötzlich ein Wasservogel auf.
     
     
    Ein Kerl, von Kopf bis Fuß rabenschwarz, kam den Hang heraufgestiegen. Das Gesicht war so schwarz, dass die Augen darin weiß leuchteten, ein schrecklicher Anblick. Christoph blieb stehen.
    »Keine Angst, das ist nur ein Köhler.«
    Auch der Köhler war stehen geblieben und blickte ihnen unsicher entgegen. Offenbar erwartete er nicht, dass jemand hier von der Höhe herabstieg.
    »Ist es weit bis Forbach?«, fragte der Vater.
    Der Köhler hatte sich ganz an die Seite des Wegs gedrückt und musterte die beiden von oben bis unten. »Eine gute Stunde, wenn ihr rasch ausschreitet.«
    »Und wenn wir nicht nach Forbach hineinwollen?« Die Stimme des Vaters klang belegt.
    »In einer Stunde ist es Nacht. Wo wollt ihr denn hin?« Man sah ihm an, dass seine Angst gestiegen war. »Ihr seid Bettler, aber du redest nicht wie ein Bettler.«
    »Wir sind friedliche Leute und vertrauen dir. Wir brauchen deine Hilfe.«
    Der Köhler schwieg unsicher.
    »Hat jemand nach uns gefragt? Nach einem Alten und einem Jungen? Es ist sehr wichtig.«
    Der Köhler schien mit sich zu kämpfen, dabei schaute er dem Alten gerade ins Gesicht: »Kommt mit, ihr beiden. Ja, es wurde nach einem Alten und einem Jungen gefragt, schon vor ein paar Tagen.«
    Wieder zögerte er, dann sagte er entschlossen: »Ich heiße Lukas.«
     
     
    Die Köhlerhütte war aus Holz, Schindeln und Moos. Sie stand neben einem eigenartigen Holzberg, von dem eine Rauchsäule aufstieg.
    Schon beim Abstieg hatte der Köhler bemerkt, dass der Vater nur sehr langsam vorankam und sich an dem steilen Hang nicht halten konnte.
    »Bist du krank? Hast du die Gicht?«, fragte er und setzte dann sehr leise hinzu: »Oder seid Ihr gefoltert
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